pampuchs tagebuch
: Die Rede des Kandidaten vor seiner Website

Letzten Donnerstag hatten ich und Al Gore dieselbe Idee. Wir hatten beide Lust, einen Abend im French Quarter von New Orleans zu verbringen. Al, der unbedingt Präsident werden will, machte viel Hektik, ließ den schönen Jackson Square absperren, lange Gitter sowie ein Podest vor dem Cabildo aufbauen und überall blauweißrote Fähnchen und Rosetten aufhängen. Außerdem bat er Marc Morial, den Bürgermeister von New Orleans, ihn abzuholen.

Ich hingegen will nicht Präsident werden und verabredete mich deshalb mit Bruce Morgan, dem Public-Relations-Fritzen von Louisiana, einem der nettesten Amerikaner, die ich kenne. Wir schlenderten zum Mississippi, ergatterten ein blaues Ticket und reihten uns in die Schlange der vielen Schaulustigen ein, die brav anstanden, um das Spektakel mit Al anzugucken. Tipper war auch da, sie war den ganzen Nachmittag eigenhändig mit der Straßenbahn die St. Charles Avenue rauf- und runtergefahren. Es war zwar nicht die namens Desire, aber ihre Sehnsucht, First Lady zu werden, war doch spürbar, als sie überschwänglich davon berichtete.

Al hielt eine ganz hübsche Wahlkampfrede, seine Berater hatten ihn ziemlich gut gecoacht. Es ging sehr viel um Geld und wofür er es ausgeben will, und weil er in New Orleans war, wandelte er das lokale Motto „Let the good times roll“ in „Let prosperity and progress roll“ um. Da schwenkten die „carpenters for Gore“ ihre Schilder. Einen Fehler allerdings machte Al. Er guckte zu sehr nach links, wo mehr Leute standen. Die Presse und die TV-Kameras aber standen rechts, und so bekamen wir ziemlich viel von dem Hintern des „next president of the USA“ zu sehen. Aber das macht nichts, denn sein Konkurrent Bush hat vor ein paar Tagen einen New York Times-Journalisten ein „Major-League-Arschloch“ genannt, und das nimmt die amerikanische Öffentlichkeit übler, als wenn man ihr mal das eigene zeigt.

Wer nun nicht mit Al am Jackson Square war, kann sich den Wahlkampf über das Internet reinziehen. Das ist zwar nicht so lustig, aber zeitgemäßer, denn es ist diesmal ein echter Internetwahlkampf. (Al hat übrigens gesagt, er sei es gewesen, der das Internet auf den Weg gebracht hat.) Auf den Redepodesten, die die Kandidaten dieser Tage erklimmen, steht immer groß ihre Website drauf. Die Big-Easy-Rede von Al kann also jeder auch bei www.algore.com erleben, allerdings – wohl aus genannten Gründen – nur als Audio. Aber ein paar andere Reden gibt es als Videos. Al kommt ziemlich rucklig rüber, aber immer noch besser als Bush auf den seinen. Es mag mit GWBs Politik zusammenhängen, jedenfalls ist er in seinem „GWB TV“ auf www.georgewbush.com nur verschwommen zu sehen.

Die amerikanischen Grünen, die mit Konsumentanwalt Ralph Nader und der indianischen Winona LaDuke antreten, verzichten bei www.votenader.org auf jeden Videoschnickschnack, bringen aber immerhin ein Audiointerview mit der Kandidatin. Trotzdem muss ich sagen, dass mich das Surfen in den Campaign-Sites überhaupt nicht angemacht hat. Da gibt es in New Orleans wahrlich Besseres zu tun.

Im Gegensatz zu Al und Tipper, die nach der Rallye ziemlich müde in ihre Limos stiegen und heimflogen – vermutlich, um an ihrer Website zu basteln –, haben Bruce und ich noch einen sehr vergnügten Abend im French Quarter verbracht. Wer nun dafür gerade keine Zeit hat, der kann www.fbgc.com anklicken und sich die Bourbon Street als Live-Endlosstream reinziehen. Mit einem realen Abend in New Orleans hat das etwa so viel zu tun wie die Wackelstreams von Al&George mit der realen amerikanischen Politik.

THOMAS PAMPUCH

thopampuch@aol.com