Von Moder, Monstern und Zensur

Heute läuft auf arte eine IOC-Dokumentation, die vorgestern im ZDF zu sehen war. Allerdings um alle kritischen Stimmen und Stellen gekürzt

Dem ZDF fehlen die Eier. Eine Eunuchenversion sei das gewesen, heißt es aus Mainz. Von Leuten, die nicht genannt werden wollen. Es geht um eine Dokumentation über das finstere Treiben des IOC. Das ZDF hatte eine halbe Stunde zum Thema bestellt, Autor Albert Knechtel 80 Minuten in der Tasche. Man sah sich den Streifen gemeinsam an.

Das ZDF einigte sich auf einen Zusammenschnitt, der die Nachfolger Juan Antonio Samaranchs ins Bild bringt. Vorgestern wurde „Die Paten der Spiele“ gesendet. Heute flimmert das potente Original über den Schirm: „Die Spielemacher“ (arte, 21.00 Uhr). Immer noch 80 Minuten lang und unberührt.

Mehr als sechs Stunden beugte sich das ZDF-Justiziariat über den Wortlaut der Dokumentation. Rechtsanwältin Lutter sorgte sich in zweierlei Hinsicht: Das ZDF ist Olympiasender und lässt sich zusammen mit der ARD die Erstverwertung der Bilder aus Sydney 110 Millionen Mark kosten. Für die Produktion fallen weitere 43 an. In Mainz sprechen Kritiker deswegen von vorauseilendem Gehorsam, der aus trächtigen Fernsehstücken halbschwangere macht, und das alles, um die Bilderwelt der hehren Olympier, inszeniert in den Öffentlich-Rechtlichen, frei von Schmuddelware zu halten.

Angst vor Klagen

Überdies ängstigt sich das ZDF vor einer Lawine der Klagen. Nicht unbegründet. Die übel beleumundete IOC-Größe Kim Un Yong, der in beiden Filmversionen diskreditiert wird, verklagte nach Ausstrahlung des Knechtel-Stücks auf BBC die Engländer. Anlass dafür war wohl nicht nur die Majestätsbeleidigung. Den BBC-Kommentar sprach Andrew Jennings, profiliertester Kritiker der IOC-Bosse. Auch die Rechtsabteilung des Sydney Mourning Herald bekam Post aus Südkorea. Der Zeitung hatte Knechtel ein Interview gegeben. Selbst in der ZDF-Version wurde deutlich, dass das IOC ein patriarchalisch geführter Orden von zum Teil korrupten, mafiösen Brüdern ist; dass es sehr wohl zuerst ums Geld und irgendwann um den „Wettstreit der Jugend“ (Samaranch) geht; dass die Mitglieder eifrige und gut besoldete Claqueure sind, die sich der Marke Olympia zu beugen haben.

Aber warum verzichtete das ZDF auf brisantes Material? Da fehlt etwa der Pressesprecher Franklin Servan-Schreiber, ein eloquenter Jungdynamiker, der Samaranch nach dem Skandal um die Vergabe der Winterspiele nach Salt Lake City offensive Pressearbeit lehrt, ihm erklärt, wie, wann und wo zu lächeln sei, und die Fotografen unterweist, vor welchem Hintergrund der Herr der Ringe recht fotogen sei. Im Film trug Schreiber stets ein Mikro, schließlich sollte das Transparenz dokumentieren. Es hätte ihn fast seinen Job gekostet. Denn so war Intimes über den australischen IOC-Vizepräsidenten und Leiter der Medienkommission, Kevan Gosper, zu vernehmen.

Lästige Journalisten

Zuerst riet er Schreiber, Zeitungsartikel doch am besten selbst zu schreiben. Wozu noch lästige Journalisten. Dann, als der Australier seine Tochter Sophie zum Fackellauf nominierte und das australische Zeitungen gar nicht schön fanden, flüsterte er Schreiber zu, er würde dem Druck der Öffentlichkeit in keinem Fall nachgeben. Nach dem Film wurde über Ticker der Rausschmiss von Schreiber verbreitet, keine zwei Stunden später dementierte das IOC. Da fehlt in der ZDF-Version auch der Hinweis auf das usbekische IOC-Miglied Gafur Rachimov, den das FBI für einen Heroindealer und Mafioso hält, der in mehreren Ländern nicht einreisen darf. Da fehlt das Interview mit Mark Tewksbury, dem australischen Schwimmer, der 1992 in Barcelona Gold über 100 Meter Rücken gewann. Der sagt, nachdem er enttäuscht aus dem IOC ausstieg, Olympia rieche nach Moder, Samaranch habe ein Monster geschaffen, vor dem die Mitglieder ihr Recht auf freie Meinungsäußerung abgäben. Und es fehlt: Andrew Jennings. „Bei den IOC-Mitgliedern sind viele darunter, die möchte man nicht seiner Mutter vorstellen“, sagt er auf arte.

Autor Knechtel versucht den Rummel um seinen Film zu dämpfen. Dem IOC bzw. seiner PR-Agentur ist der Inhalt im voraus bekannt gewesen. Dem ZDF eben auch. Leider. Knechtel sagt: „Bei arte macht es Spaß, da kann man sich gehen lassen.“ Und: „Die haben halt keine Rechte an Olympia.“ MARKUS VÖLKER