die stimme der kritik
: betr.: Gastlich ab 36 Grad

Hungerkralle

Die spinnen, die erwachsenen Deutschen. Hat das Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des Hamburger Magazins Stern ermittelt. Konkret: „Jeder vierte erwachsene Deutsche kann sich vorstellen, mit Bundesaußenminister Joschka Fischer gemeinsam Urlaub zu machen.“ Ausgerechnet! „Der Grüne“, berichtet der Stern, „liegt damit weit vor dem Kanzler: Auf die Frage, mit welchem Kabinettsmitglied sie ihren Urlaub verbringen würden, nannten nur 14 Prozent der 2.002 Befragten Gerhard Schröder. Er landete somit auf Platz zwei. Spitzenreiter Fischer bekam 24 Prozent.“

Die Kollegen von einem anderen Hamburger Magazin können da nur warnen. Die nämlich hatten den ausgemergelten Bundes-Stresemann vor kurzem in seinem toskanischen Urlaubsdomizil interviewt und waren bei glutheißen 36 Grad im Schatten nur mit zwei Flaschen Mineralwasser bewirtet worden. „Dem nach langer Anreise wohl etwas hungrig wirkenden Besuch [drei Redakteure und ein Fotograf] schnitt der Minister höchstselbst einen ganzen Apfel klein, legte auf jedes Scheibchen ein Stück Pecorinokäse, dazu ein paar Tröpflein Olivenöl und gemahlenen bunten Pfeffer.“ Zu Gast beim asketischen Bonvivant.

Diese hübsche kleine Geschichte, als „Hausmitteilung“ im Spiegel publiziert, löste bei BamS-Chef Michael Spreng prompt Neidgefühle aus. Per Leserbrief ließ er den Spiegel wissen: „Unsere Redakteure, die eine Woche zuvor Joschka Fischer in der Toskana besuchten, erhielten während eines zweistündigen Gesprächs bei 35 Grad im Schatten nicht einmal ein Glas Wasser.“ Mit so einem Geizkragen in die Sommerfrische? Pah!

Es gibt allerdings noch Hoffnung, in der Urlaubssaison 2001 auch auf vernunftbegabte erwachsene Deutsche zu treffen: „Die absolute Mehrheit, 54 Prozent“, heißt es beim Stern, „will in den Ferien bloß eins: Ruhe vor ihren Regenten.“

REINHARD KRAUSE