Erneute Debatte um die Todesstrafe

US-Justizministerium: Erhebliche ethnische Ungleichgewichte bei der Verhängung der Todesstrafe

WASHINGTON taz ■ Ein Bericht des Justizministeriums über die Verhängung der Todesstrafe auf Bundesebene zeigt extreme Unterschiede in der ethnischen Zugehörigkeit der Angeklagten – stärker noch als in den Bundesstaaten. Rund 80 Prozent der Angeklagten zwischen 1995 und 2000 waren Schwarze oder Hispanics. Von den derzeit 19 zum Tode Verurteilten sind lediglich vier Weiße.

Die Studie hat die Forderung nach einem Moratorium für Hinrichtungen auf Bundesebene laut werden lassen. Der demokratische Senator Russel D. Feingold aus Wisconsin will noch in der kommenden Woche eine entsprechende Vorlage in den Senat einbringen: „Wir sollten die Exekutionen auf Bundesebene aussetzen und eine bedachtsam ausgewählte Kommission damit beauftragen, das System neu zu überdenken. Die amerikanischen Ideale von Gerechtigkeit fordern das von uns.“

Justizministerin Janet Reno selbst zeigte sich zwar „sehr besorgt“ über die Ergebnisse der Untersuchung, lehnt ein Moratorium aber ab: Schließlich ginge es nicht um die Frage der Schuld der Verurteilten oder um schwere Verfahrensfehler, wie sie etwa den Gouverneur von Illinois Anfang des Jahres zur Aussetzung der Todesstrafe in seinem Bundesstaat bewogen hatten. Reno kündigte aber an, in einer weiteren Studie untersuchen zu wollen, ob rassische Vorurteile bei den Verfahren eine Rolle gespielt haben.

Seit 1963 ist kein von Bundesgerichten zum Tode Verurteilter mehr hingerichtet worden. Von 1930 bis 1999 sind insgesamt 4.400 Menschen vom Staat umgebracht worden – nur 33 starben auf Anordnung von Bundesgerichten. Als Ergebnis der Bürgerbewegungen der 60er-Jahre war die Todesstrafe 1972 ausgesetzt worden. Während die meisten Bundesstaaten 1976 zur Verhängung der Todesstrafe zurückkehrten, wurde sie auf Bundesebene erst 1988 wieder eingeführt. Im September 1994 unterzeichnete Präsident Clinton den Federal Death Penalty Act, der die Todesstrafe für über 40 weitere Vergehen gegen Bundesgesetze vorsieht.

Die beiden Präsidentschaftskandidaten, der texanische Gouverneur George W. Bush, unter dessen Ägide mehr Menschen hingerichtet wurden als irgendwo sonst in den USA, und der Todesstrafenbefürworter Al Gore werden sich hüten, das Thema im Wahlkampf aufzugreifen. So ist die Studie lediglich ein kleiner Mosaikstein, um der US-Gesellschaft vorzuführen, dass das Justizsystem nicht vorurteilsfrei funktioniert. BERND PICKERT