Nigerias Kampf mit der Korruption

Der Senatspräsident musste wegen Veruntreuung seinen Posten räumen, einige seiner Kollegen werden ihm wohl folgen. Nun fragt sich die Bevölkerung, wie viel ihre Politiker aus dem Scheitern der früheren Zivilregierungen gelernt haben

aus Lagos HAKEEM JIMO

Als Chuba Okadigbo Ende der 60er-Jahre in Deutschland Politik studierte, erlebte er eine Zeit der studentischen Proteste gegen elitäre Strukturen. Woher Nigerias Senatspräsident dennoch die Dreistigkeit hernahm, Staatsgelder in Millionenhöhe zu veruntreuen, bevor er am 8. August seines Amtes enthoben wurde, kann sich so mancher in Nigeria erklären: „Im Senat sitzen die Überbleibsel der alten korrupten Regierungen und Regime“, sagt ein Ingenieur aus Lagos.

In Nigerias letzter demokratisch gewählten Regierung Anfang der 80er-Jahre war Okadigbo Präsidentenberater. Und diese Regierung, die 1983 durch eine Militärdiktatur abgelöst wurde, scheiterte nicht zuletzt an immenser Korruption. Doch Okadigbos Karriere focht das nicht an. Trotz der traumatischen Erfahrungen mit Staatsplünderei läuft auch das neue demokratische System Gefahr, es sich mit dem Volk zu verderben. Nicht nur für den Ingenieur aus Lagos ist es unverständlich, welche Possen und Betrügereien sich noch immer in höchsten politischen Institutionen Nigerias abspielen.

Seit dem Amtsantritt von Präsident Olusegun Obasanjo am 29. Mai 1999 kommt vor allem der Senat, das Oberhaus des nigerianischen Zweikammerparlaments, nicht aus den Schlagzeilen heraus. Der Vorgänger des jetzt amtsenthobenen Okadigbo musste gehen, als Irritationen über seine Alters- und Zeugnisangaben aufkamen – genau wie bei seinem Amtskollegen aus dem Unterhaus. Jetzt prüft eine Untersuchungskommission alle Biografien der Senatoren und Abgeordneten im Unterhaus. Schätzungen zufolge könnten rund ein Dutzend Volksvertreter wegen Lügen ihre Posten verlieren.

Nigerias Politiker haben ein Imageproblem gegenüber dem Volk. Während die Eliten in den Behörden um die Höhe ihrer Möbeletats feilschen, sieht der gewöhnliche Nigerianer kaum einen Fortschritt im täglichen Leben. Jobs gibt es immer noch keine, Auslandsinvestitionen bleiben fast aus. Immer mehr bewaffnete Überfälle erschweren das Leben vor allem in den Städten. „Die Fehltritte der Senatoren sind ein Betrug an den würdigen Mandaten, die sie von der nigerianischen Bevölkerung erhalten haben, während die einfachen Menschen weiter in unbeschreiblichem Elend und Armut dahinvegetieren“, sagte Nigerias größte Menschenrechtsorganisation „Civil Liberties Organisation“ (CLO).

Eine nigerianische Gewerkschaft hat sogar mit Streik gedroht, sollten die der Korruption beschuldigten Senatoren nicht zurücktreten. Die Zivilgesellschaft ist also wiederbelebt, auch wenn die neue Demokratie noch nicht Korruption und Unmoral einiger Führungspersonen eingedämmt hat. Sogar die Selbstkontrolle des politischen Systems scheint einigermaßen zu funktionieren. Denn es war der Bericht einer aus Senatoren bestehenden Kommission, der zur Enthüllung der Korruption im Senat und zur Amtsenthebung Okadigbos führte. Die Anschuldigungen und empfohlenen Konsequenzen der Kommission konnten alle BürgerInnen Nigerias im Staatsfernsehen live erleben. Dies ist eine unerhörte Transparenz nach Jahren, in denen die Herrschenden ihre Exklusiventscheidungen in verbarrikadierten Palästen trafen.

Daher können einige im Land dem Skandal auch etwas Positives abgewinnen. Staatsoberhaupt Olusegun Obasanjo spricht von einem heilenden Prozess. Sam Amuka, Herausgeber der Tageszeitung Vanguard, lobt das Zusammenspiel von Gesellschaft, Politik und den Medien: „Nigeria ist keine One-Man-Show mehr – die Gesellschaft reagiert“, sagt er. Mit Krisen wie dem jüngsten Betrugsskandal lassen sich dennoch kaum Sympathien in der Bevölkerung Nigerias zurückgewinnen.