Einmal Gold für Konsequenz

Mit der für November geplanten Kapitalaufstockung will sich die Naturstrom AG vom Ökostromhändler zum Produzenten grüner Energie entwickeln. Als erster Anbieter bekamen die Düsseldorfer das Umwelt-Gütesiegel in der Kategorie „Gold“

aus Düsseldorf MARTIN MURPHY

7.200 Kunden reichen einfach nicht. Um profitabel zu arbeiten, will die Naturstrom AG nicht mehr nur reiner Ökostrom-Händler sein, sondern neue Geschäftsfelder erobern. Demnächst ist der Betrieb von eigenen Energieerzeugungsanlagen geplant. „Einen kleinen Windpark und eine Solaranlage haben wir bereits im Auge“, sagt Ralf Bischof, Vorstand der Naturstrom AG. Darüber hinaus will das Unternehmen seine Chancen auch in Verteilung und Transport regenerativer Energien suchen.

Dennoch sind 7.200 Kunden ein Erfolg, denn Konkurrenten wie die Unit Energy Europe AG oder die am Neuen Markt notierte Plambeck AG haben mit deutlich höherem Werbeaufwand weniger Lieferverträge abschließen können. Naturstrom überzeugte die Kunden mit Konsequenz: Der Düsseldorfer Stromhändler nahm ausschließlich Betreiber von neuen, reaktivierten oder erweiterten Anlagen unter Vertrag, „um damit effektiv zu einem Ausbau der regenerativen Energien beizutragen“, so Bischof.

Als erster Ökostromanbieter ist die Naturstrom AG dafür vom Verein Grüner Strom Label mit dem Gütesiegel in der Kategorie „Gold“ ausgezeichnet worden. „Das goldene Label stellt die derzeit höchsten Ansprüche an Produkt und Anbieter“, sagt Bischof. Die Naturstrom AG bietet ihren grünen Strom bundesweit zum einheitlichen Preis von 34,5 Pfennig je Kilowattstunde bei einem monatlichen Grundpreis von 9,50 Mark an. Von diesem Geld fließen 6 Pfennig je verbrauchter Kilowattstunde in den Bau von neuen Anlagen. Damit könnten auch Anlagen gefördert werden, die unrentabel arbeiten.

Aktuell hat Naturstrom 20 Anlagen mit einer Leistung von rund 8,6 Megawatt vor allem in Westdeutschland unter Vertrag.

Mit einer Kapitalerhöhung sollen jetzt die neuen Geschäftsfelder erschlossen werden. Auf der Hauptversammlung Ende August stimmten die Aktionäre einem entsprechenden Vorschlag des Managements zu. Bis zu zehn Millionen Mark will der Düsseldorfer Stromhändler durch die Ausgabe neuer Anteile einwerben. „Die Hälfte des Geldes soll für den Erwerb von neuen Anlagen verwendet werden“, sagt Bischof. Man wolle aber kein Projektierer werden. „Wir kaufen nur schlüsselfertige Anlagen“, so der Naturstrom-Vorstand. Bereits im November oder Dezember soll die Kapitalerhöhung in Eigenregie durchgeführt werden. Seinen Altaktionären will das Unternehmen Sonderkonditionen einräumen. Welche, das steht noch nicht fest.

Viel Arbeit und Feinschliff steht also an: Die letzte Kapitalerhöhung musste aufgrund eines juristischen Fehlers für ungültig erklärt werden. Weil die Verantwortlichen vergessen hatten mitzuteilen, bis wann die Kapitalerhöhung läuft, wurden etliche Zeichner nur zu Beinah-Aktionären. Erst mit Hilfe eines umständlichen Weges konnten die Einlagen der Beinaheaktionäre in Aktien umgewandelt werden. Als Hauptschuldigen für die gescheiterte Kapitalerhöhung sieht das Management den mittlerweile entlassenen Vorstand Günter Benik, dem die Aktionäre auf der Hauptversammlung die Entlastung verweigerten. Naturstrom erwägt, Benik juristisch zu belangen.

Mit dem Kauf von Energieerzeugungsanlagen will Bischof die Naturstrom AG schneller in die Gewinnzone führen. 1999 hat das Unternehmen einen Verlust von 2,4 Millionen Mark erwirtschaftet. Erst für das Jahr 2004 prophezeit Bischof „ein deutliches Plus“. Naturstrom soll bis dahin 50.000 Kunden unter Vertrag haben, die 150 Millionen Kilowatt Strom abnehmen. „Einen Großteil dieses Stroms wollen wir in eigenen Anlagen produzieren“, sagt Bischof. Trotz der Umorientierung hat Bischof den Ökostromhandel fest im Blick. Den Einstieg in die Energieproduktion mache Naturstrom, um die Vorteile des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) auszunutzen. „Das EEG lohnt sich nur kurzfristig, mittelfristig sollten Investoren den Handel im Auge behalten“, sagt Bischof. Denn wenn die rechtlichen Förderprogramme fallen, müssten die Stromabnahmepreise mit den Energieversorgungsunternehmen (EVU) neu ausgehandelt werden.

Neue Abnehmer will der Manager vor allem durch neue Marketingwege gewinnen. „In einem ersten Schritt sammeln wir unsere Kundschaft bei den Verbände, mit denen wir kooperieren. Beispielsweise beim BUND“, sagt Bischof. Im zweiten Schritt will der Ökostromhändler die „Öko-Lights“ ansprechen, also Konsumenten, die ökologisch interessiert sind, aber aufgrund des höheren Preises nicht auf grünen Strom umsteigen. Ab 2005 rechnet Bischof mit deutlich billigerem Ökostrom, da dieser von einigen Auflagen – etwa der Ökosteuer – befreit werde. „Ökostrom ist ab dann mindestens gleichpreisig.“

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