Armani gegen das Alte Testament

Bullen, Bad Guys und die Weicheier da draußen: In „The Boondock Saints“ jagt Willem Dafoe als harter schwuler Polizist irische Zwillingsbrüder in tödlicher Mission. Troy Duffys Film zieht eine Blutspur durch Bostons Hinterhöfe

Die Weichheit des Systems ist für die Helden des Films nur eine Sackgasse, die es zu durchbrechen gilt

FBI-Agent Paul Smecker (Willem Dafoe) will nicht kuscheln. Die Streicheleinheiten seines Lovers widern ihn an. Er ist einer von der ganz harten Sorte. Und die Weicheier da draußen können sich seiner Verachtung sicher sein. Selbst der heterosexuelle Barkeeper kriegt ein „Schwuchtel“ vor den Kopf geknallt, wenn seine Bewegungen zu weich werden.

Als schwules Role-Model taugt Smecker nur wenig, aber irgendwie ist es gut, dass es ihn gibt. „The Boondock Saints“, der Debüt-Film des Nobodys Troy Duffy, verdankt ihm einen Haufen pointierter Einzeiler und Auftritte, wie sie Hollywood seit Travolta in der Rolle des Vincent Vega nicht mehr gesehen hat. Denn der einzige Mensch, den Smecker liebt, ist er selbst, und diesen Narzissmus inszeniert er mit einer opernhaften Inbrunst, die den Tatort zur Bühne erhebt (die filmischen Mittel sind in solchen Momenten etwas abgeschmackt, fügen sich aber perfekt in die weiteren kleinen Absurditäten des Films). Wenn er die Szenerie betritt, werden seine Kollegen zu Stichwortgebern und Kaffeeholern degradiert, derweil glättet Smecker seinen tadellosen Armani-Anzug, legt seine Kopfhörer an und beschreitet unter Opernklängen den Ort des Verbrechens wie ein aufgedonnerter Sherlock Holmes. Morde sind für ihn nur noch überdeterminierte Rätselspiele, die entschlüsselt werden wollen. Und Smecker kostet jede dieser Gelegenheiten aus, als wäre er der 100.000-Dollar-Kandidat einer Prime-Time-Gameshow, in der er einfach nie verlieren kann. Ein echter Exzentriker!

Die eigentlichen Helden des Films, die Boondock Saints, sind jedoch die irischen Zwillingsbrüder Conner (Sean Patrick Flanery) und Murphy MacManus (Norman Reedus), nur bleiben sie vergleichsweise blass – obwohl sie es sind, die dem Film seine kräftigste Farbe verleihen. Ihre Spur durch die Hinterhöfe Bostons ist blutig rot. Auch die MacManus-Brüder haben wenig übrig für Weicheier, und ihr Gott ist der des Alten Testaments, weswegen ihre tödliche Mission von höchster Stelle abgesegnet werden konnte. Und wenn sie doch einmal Zweifel an der Rechtschaffenheit ihres Tuns plagen, blicken sie nur kurz auf ihre Hände: Dort sind die Worte „Veritas“ (Wahrheit) bzw. „Aequitas“ (Gleichheit) eintätowiert, ihre Lizenz zum Töten. Schließlich erfüllen Conner und Murphy als Schutzpatrone ihres Viertels vor allem eine wichtige soziale Funktion: Sie reinigen die Nachbarschaft von der Russenmafia, Dealern und Kleinganoven, die Omas die Handtasche klauen.

Dass Selbstjustizfilme – in letzter Konsequenz – immer auch Filme über Zivilcourage und die Aufrechterhaltung der Solidargemeinschaft sind, verkauft „The Boondock Saints“ in seinen grotesken Zügen mit einem süffisanten Lächeln. Und darum landen in solchen Filmen die guten Bad Guys und „richtige“ Bullen schließlich immer auf derselben Seite. Die Weichheit des Systems ist für ganze Kerle wie sie nur eine Sackgasse, die es zu durchbrechen gilt. Vater MacManus: „Die Frage ist schließlich nicht, wie weit man gehen will. Die Frage ist, besitzt du die Konstitution und den Glauben, so weit zu gehen, wie es nötig sein wird?“

ANDREAS BUSCHE

„The Boondock Saints“. Regie: Troy Duffy. Mit: Willem Defoe, Norman Reedus. USA 1999, 110 Min., im Moviemento, Kottbusser Damm, Kreuzberg