Schatten über Manhattan und Hiroschima

Es brennt, es strahlt und es hinterlässt Spuren an der Wand: Licht. Die Galerie Pankow zeigt in Zusammenarbeit mit der Gedok unter dem Titel „Lux Lumen“ sechs Künstlerinnen, die das unsichtbare Medium nutzen, um Skulpturen zu bauen, Diatapeten zu entwerfen oder Büros nachzuzeichnen

von RICHARD RABENSAAT

Das grausame Licht von Hiroschima kann Génevieve Gilabert nicht bannen. Aber dessen Schatten und die Erinnerung an den Abwurf der ersten Atombombe haben sich nicht nur in das Gedächtnis der Künstlerin eingebrannt. Unmittelbar nach der Vernichtung der Stadt pries Präsident Truman Gott dafür, dass die Bombe gerade zu den Amerikanern gekommen war und diese sie in seinem Sinne einsetzen konnten.

Immer noch ist Gilabert entsetzt darüber, „wie leichtfertig damals in drei Minuten 120.000 Menschen schlicht verdampft wurden“. Gilabert ist eine von sechs Künstlerinnen, die in der Galerie Pankow ihre Arbeiten präsentieren. Schon der Titel „Lux Lumen“ verweist auf die verschiedenen Möglichkeiten der Betrachtung von Licht: Lux ist die Maßeinheit für Lichtstärke, Lumen die für den Lichtstrom. Installationen, Zeichnungen, Fotografien und Objekte versammelt die vom Frauenförderverein Gedok beauftragte Kuratorin Anke Scharnhorst, um das immaterielle Phänomen Licht plastisch werden zu lassen: „Früher wurde das Licht als göttlich verehrt und war Ausgangspunkt vieler Mythen, heute messen wir es mit der Quantenphysik. Ich habe versucht, Arbeiten zu versammeln, die den Betrachter für das ganze Spektrum des Lichts sensibilisieren können.“

Im Alter von 14 Jahren sah die 1967 geborene Gilabert erste Fotos des Abwurfs der Atombombe am 6. August 1945. Auf einer der Reproduktionen war der Umriss eines Mannes auf einer Leiter mit einem Pinsel in der Hand zu erkennen. Ihre Mutter erklärte, dass von dem Mann nur noch der in die Wand geprägte Schatten existiere. Das verstand sie damals nicht. Später setzte sie sich in ihren Arbeiten mit dem historischen Ereignis auseinander. Für die Installation in der Galerie nimmt sie als Ausgangspunkt ein Foto von Manhattan, das aus derselben Höhe aufgenommen wurde, in der die Bombe explodierte. Die Schatten der Häuserblöcke auf dem Foto imitiert sie mit Holzschnitten an der Wand. „Amerika wirft überall seine Schatten. In Hiroschima begann die neue Weltordnung“, sagt sie. Die Schwierigkeit, eine politische Aussage mit künstlerischen Mitteln zu transportieren, ist ihr bewusst. Keinesfalls sollen ihre Arbeiten didaktisch wirken. Deshalb bemüht sie sich um einen Dialog mit den Besuchern, wenn sie ihre Werke öffentlich zeigt.

Einen ganz anderen Ansatzpunkt hat Katrin Glanz gefunden: Ihre lindgrüne Zeichnung versucht, eine kühle Büroatmosphäre zu schaffen. Als sie von Scharnhorst eingeladen wurde, sah Glanz sich zunächst die Galerieräume an, ohne ein bestimmtes Konzept zu haben. Wie bereits zuvor an anderen Orten verdeutlicht eine Wandzeichnung in Pankow die Assoziationen, die ihr beim Betrachten der renovierten Altbauwohnung kamen. „Ich stellte mir vor, was wohl früher hier gewesen sein könnte. Mich interessiert die Geschichte der Häuser“, erklärt die Künstlerin. Einrichtungsgegenstände wurden mit Dias auf die Flächen projiziert. Nun werden die Möbel als Aussparungen auf der ansonsten gleichförmig gestrichenen Wand sichtbar.

Einen Kontrapunkt zu den thematisch zentrierten Arbeiten von Glanz und Gilabert bilden die beiden weißen Plexiglaskästen von Anna Werkmeister. Als Reminiszenz an die Minimal Art fangen sie das Licht ein, das von draußen hereinscheint oder von den Strahlern auf sie herabfällt. Ebenso schwerelos wirken die Projektionen von Teresa Mazuela Sequeira: „Ich wollte die Ausblicklosigkeit des Raumes, der auf eine Brandmauer hinauszeigt, aufbrechen und etwas Natur in die Stadt bringen.“ Sequeira hat Dias von Pflanzen am Computer bearbeitet und zu einem Raster montiert. Nun projeziert sie diese Montagen in den dunklen Raum. Auf den ersten Blick wirkt die Arbeit einfach schön. „Einen tieferen Sinn hat das Ganze nicht“, findet zumindest die Künstlerin.

Dass die Untertreibung nicht stimmt, wird allerdings bei der Betrachtung anderer Arbeiten deutlich. In grafischen Mustern zusammengestellte Diaprojektionen bilden immer wieder den Ausgangspunkt für Sequeira. Bilder von Menschen und Pflanzen wirft sie mit dem Projektor auf Häuserwände, auf Gitter, auf Wanddurchbrüche und schafft so neue Räume. Sie bricht vorgegebene Raumstrukturen auf und schafft mit dem Licht Verbindungen zwischen weit entfernten Orten und Gegenständen. „Meine Eltern waren noch nie in Deutschland, sie leben in Madrid“, sagt die in Frankfurt aufgewachsene Spanierin, „aber ich wünschte mir sehr einen Besuch von ihnen in meinem Atelier. Da habe ich einfach ein Dia zur Hilfe genommen.“

„Lux Lumen“. Bis 7.10., Di. – Sa. 15 – 20 Uhr, Galerie Pankow, Breite Straße 8.