Blut, Ehre, Hausdurchsuchung

Polizei beschlagnahmt nach Verbot Nazi-Devotionalien bei der Sektion Berlin des Skinhead-Netzwerkes „Blood & Honour“. Senat rechnet mit Einschüchterung der Szene

Nach Einschätzung der Senatsverwaltung für Inneres wird das Verbot der Skinhead-Organisation „Blood & Honour“ der Berliner Neonazi-Szene heftigen Schaden zufügen. „Wir rechnen mit einer erkennbaren Einschüchterung“, sagte der Sprecher von Innensenator Eckart Werthebach, Stefan Paris.

Die Polizei durchsuchte am frühen Morgen drei Wohnungen von Rechtsextremisten, die dem 1994 in Berlin gegründeten neonazistischen Musik-Netzwerk angehören sollen. Die Beamten stellten Briefpapier, Nazi-Devotionalien, indizierte CDs sowie ein Kassenbuch sicher. Auch das Postfach von „Blood & Honour“ wurde beschlagnahmt. Die streng hierarchisch gegliederte Organisation zählt in Berlin rund 50 Mitglieder. Auch der Sitz der „Division Deutschland“ der internationalen Naziskin-Vernetzung befindet sich in der Hauptstadt. Im Bezirk Lichtenberg verfügte „Blood & Honour“ sogar über ein eigenes Clubhaus. Bei einer Durchsuchung im März dieses Jahres fand die Polizei dort ein Porträt des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß.

Berlin gilt als einer der bedeutendsten Umschlagplätze für das profitträchtige Geschäft mit dem Rechtsrock, das den Schwerpunkt von „Blood & Honour“ darstellt. Von den 20 überregional bekannten Hass-Bands in der Bundesrepublik stammen sieben aus Berlin, darunter die Gruppen „Landser“, „Macht und Ehre“, „Spreegeschwader“ und „Frontstadt“. Für den Verkauf in der Hauptstadt sorgt der Laden „Ha-Ra-Kiri“ in der Grellstraße in Prenzlauer Berg, für den auf der Homepage von „Blood & Honour“ geworben wird. Zuletzt veranstaltete „Blood & Honour“ am 30. April ein Konzert in Lichtenberg mit etwa 150 Teilnehmern.

Auch der Vertrieb des gleichnamigen Fanzines von „Blood & Honour“ wurde von Berlin aus organisiert. Angeführt wurde die „Division Deutschland“ von dem Berliner Stephan Lange, der dem Landeskriminalamt bereits bei der Durchsuchung im März ins Netz gegangen war: Beamte des polizeilichen Staatsschutzes nahmen den 29-Jährigen damals wegen Verwendung von verfassungsfeindlichen Symbolen fest. Dabei wurden 1.500 Exemplare des „Blood & Honour“-Fanzines sichergestellt. Auf dem Titel waren Hakenkreuze zu sehen. Außerdem beschlagnahmte die Polizei 1.875 CDs, die Lange mit seiner Lebensgefährtin von Thüringen nach Berlin gebracht hatte.

Nicht nur das kulturelle, auch das terroristische Potenzial der Sektion Berlin von „Blood & Honour“ ist beträchtlich. So nahm die schwedische Polizei im Januar 1998 im schwedischen Brottby die damals 27-jährigen Berliner Rechtsextremisten Heiko L. und Hartmut S. bei Ausschreitungen nach einem „Blood & Honour“-Konzert fest. Sie gelten als Führungsfiguren eines Flügels, der den bewaffneten Kampf aufnehmen möchte. Bei beiden führte die Staatsanwaltschaft im Oktober 1999 Hausdurchsuchungen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung durch. Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes gab es bereits vor dem Verbot Anzeichen für eine Neuorganisation der Sektion Berlin. In den vergangenen Monaten zeichnete sich eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen „Blood & Honour“ Berlin und der NPD ab. Die Innenverwaltung bestätigte gestern noch einmal die „deutlichen Kontakte“ zwischen Blood & Honour und der NPD: „Es handelt sich um separate Organisationen“, hieß es, „aber man bekennt sich zur gleichen Sache.“

ANDREAS SPANNBAUER

siehe SEITEN 4 UND 11