Schnapsideen

Der Oberste Gerichtshof von Guatemala entscheidet über die Aufhebung der Immunität von Ex-Diktator Ríos Montt

SAN SALVADOR taz ■ Nach dem ehemaligen chilenischen Diktator Augusto Pinochet droht nun auch dem guatemaltekischen Schlächter Efraín Ríos Montt die Aufhebung seiner parlamentarischen Immunität. Doch anders als in Chile geht es zunächst nicht um die juristische Aufarbeitung der Vergangenheit. Dass Ríos Montt als Militärdiktator in den Jahren 1982 und 83 mehr als 400 indianische Gemeinden dem Erdboden gleichmachen und zehntausende von Mayas massakrieren ließ, spielt im Verfahren gegen ihn keine Rolle. Es geht um viel Banaleres: um Schnaps.

Ríos ist Parlamentspräsident und Abgeordneter der rechtspopulistischen Regierungspartei „Republikanisch-Guatemaltekische Front“ (FRG). Ihm wird vorgeworfen, in Tateinheit mit 20 weiteren FRG-Parlamentariern ein Gesetz geändert zu haben, nachdem es im Parlament abgestimmt und bevor es in dem von ihm verantworteten Gesetzblatt veröffentlicht worden ist. Es ging dabei um Steuern auf den Ausschank alkoholischer Getränke, die nach dem Parlamentsbeschluss durchschnittlich rund zehn Prozent betragen sollten. Die im Gesetzblatt angegebenen Sätze lagen jedoch nur etwa halb so hoch. Der Schnapsindustrie Guatemalas war damit ein großer Gefallen getan.

Die Oppositionsparteien beantragten daraufhin beim Obersten Gerichtshof die Aufhebung der Immunität von Ríos Montt und seiner 20 Fraktions-Freunde. Der wehrt sich nun mit allerhand Eingaben und Ablenkungsmanövern. Ríos Montt behauptet, nicht er, sondern das gesamte Plenum des Parlaments habe die Steuersätze nach der ersten Abstimmung abgesenkt. Die Opposition weiß davon nichts. Der Streit wird noch eine Weile dauern.

Obwohl Menschenrechte dabei keine Rolle spielen, sind die Organisationen der Diktatur-Opfer elektrisiert. In den vergangenen Tagen haben sie immer wieder vor dem Kongress demonstriert. Denn sie wissen: Ist die Immunität von Ríos Montt erst einmal aufgehoben und der Ex-Diktator als Gesetzesfälscher verurteilt, wird es viel leichter sein, andere Anzeigen nachzuschieben. TONI KEPPELER