Ein vages Kanzlerwort

Das Beispiel Deutschland: Schröder weckt Wünsche

von LUKAS WALLRAFF

Ausgerechnet in Niedersachsen, dem Heimatland des Kanzlers, haben Lkw-Fahrer und Bauern gestern ihre Proteste gegen die gestiegenen Benzinpreise und gegen die Ökosteuer ausgeweitet. Im Emsland blockierten Demonstranten erstmals auch in Deutschland eine Erdölraffiniere. In Hannover legte ein Konvoi mit Hunderten von Lastwagen, Treckern und Taxen zeitweise den Verkehr lahm.

Während die CDU die Proteste mit Postkarten, Flugblättern und Unterschriftenlisten gegen die „Ö K.O.-Steuer“ weiter anstachelt, bleibt die Bundesregierung relativ gelassen. Wirtschaftsminister Werner Müller betonte, nicht die Ökosteuer sei schuld an den Benzinpreisen, sondern die hohen Rohölpreise. Kanzler Schröder hatte die Unterstützung der Union für die Proteste bereits am Mittwoch als „Aufruf zur Nötigung“ gegeißelt und angekündigt: „Der Staat wird das nicht hinnehmen.“

Arbeitsminister Walter Riester (SPD) verteidigte die Ökosteuer gestern als einzige Möglichkeit zur Finanzierung der Rentenkassen „und deshalb stehe ich auch dazu“. Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (ebenfalls SPD) sprach sich gegen eine Aussetzung der Öko-steuer in der Landwirtschaft aus.

Aus SPD-regierten Ländern dagegen sind andere Töne zu hören. Nach Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wolfagng Clement regte gestern auch der rheinland-pfälzische Regierungschef Kurt Beck die Abschaffung der Öko-steuer auf Heizöl an.

Trotz der Störfeuer aus den Ländern und den zunehmenden Protesten bleibt die Bundesregierung bei ihrer Linie. Die Minister halten sich an Schröders Vorgaben und lehnen Rückzieher bei der Öko-steuer ab. Völlig unklar ist aber noch, was der Kanzler meinte, als er im Bundestag „soziale Korrekturen“ für Menschen versprach, die von den Energiepreisen besonders betroffen sind.

Damit hat Schröder natürlich Begehrlichkeiten geweckt. Weil er keine konkreten Pläne nannte, lud er den linken Flügel seiner Partei und die Gewerkschaften geradezu ein, Forderungen zu stellen. Prompt melden sich bereits die ersten Stimmen. „Die Politik kann da nicht zur Tagesordnung übergehen“, sagte NRW-Arbeitsminister Harald Schartau (SPD) gestern in der Berliner Zeitung und nannte als mögliche Maßnahme einen Ausgleich bei den Heizkosten für sozial Schwache.

Aus Regierungskreisen hieß es lediglich, es würden „verschiedene Möglichkeiten geprüft“. Öffentlich genannt werden lediglich Maßnahmen, die ohnehin vorgesehen waren. So verwies eine Sprecherin des Arbeitsministeriums gestern auf die geplante Entlastung der Rentner durch die Rückkehr zur nettolohnbezogenen Rente ab 2001. Schröder führte als einziges Beispiel die sowieso geplante Erhöhung des Wohngelds an.

Auffällig unauffällig verhalten sich in der Diskussion um Benzinpreise und „soziale Abfederung“ bisher die Grünen, ohne die es die Ökosteuer gar nicht gegeben hätte. Offenbar sind sie erst einmal froh, dass sich die Kritik gegen die Regierung als Ganzes richtet und dass der Kanzler hart bleibt. Der umweltpolitische Sprecher der Grünen, Reinhard Loske, sagte gestern zur taz, man dürfe „auf keinen Fall in die allgemeine Hysterie einstimmen“. Soziale Kompensationen müssten sich „auf den Kreis der wirklich Bedürftigen“ beschränken und dürften „nicht ökologisch kontraproduktiv“ sein.