Die Hobbys der Promi-Lobby

■ Radio Bremen/Fernsehen setzt alles daran, seine Überflüssigkeit zu beweisen: Mit seichtester Fernsehunterhaltung, wie sie auch die hinterletzte TV-Produktionsklitsche nicht überfordert hätte

Schon der Name von Radio Bremens neuer Fernseh-Serie kann einen wütend machen: „Promi-Hobby“. Der Titel erinnert an drittklassige Siebzigerjahre-Unterhaltung. Die Gästeliste tut sich sogar schwer, die dritte Klasse zu halten: Abgehalfterte Stars wie Karel Gott und Jochen Maas geben sich die Klinke in die Hand mit No-Names wie einer „Konditorweltmeisterin“. Sie alle dürfen über das plaudern, was sie wohl am wenigsten vom Publikum unterscheidet: ihre Hobbys. Laut Ankündigung ist „die Überraschung programmiert“: Die Sendung führe „Überzeugungstäter zusammen, die von ihrer gemeinsamen Überzeugung bisher nichts ahnten“.

Mit Todesverachtung mische ich mich dennoch unter das Publikum der Aufzeichnung. Aus dem Off werden wir begrüßt: „Astrein, dass auch die Stammgäste noch nicht genug von Promi-Hobby haben“ – man kennt sich. Der Ansturm auf Karten für das neue Talk-Format scheint nicht allzu groß zu sein. Dann werden die Gäste angekündigt – „mehr als hochkarätig, sympathisch und nett“: Gotthilf-dass-wir-alle-singen-Fischer trifft Eberhard Gienger, in den Siebzigern mal Westdeutschlands Bester im Trendsport Geräteturnen und später Bundesturnwart. Nach dem Testapplaus bittet die gut gelaunte Stimme die gut zwei Dutzend Fans, noch mal eine Schippe draufzulegen – für „die Vicky“. Das ist die Moderatorin, mit bürgerlichem Namen Victoria Herrmann. Mit ihrem blondierten Minipli und den hochhackigen Cowboy-Stiefeletten sieht sie aus wie soeben von einer Vorstadt-Sonnenbank auferstanden.

Aber die Vicky ist hart im Nehmen, lässt sich nicht davon beirren, dass Gotthilf Fischer „an Frauen ganz besonders das Schweigen“ schätzt. Unverdrossen plappert sie mit dem Herrn über 62.000 Chorsänger weltweit. Der gibt mit seinem Altherrenhumor bereitwillig Auskunft über Gott, die Welt und die Sangesfreude. Nur über das Thema der Sendung – Fallschirmspringen – fallen seine Auskünfte merkwürdig dürr aus.

Eberhard „Seitpferd“ Gienger klärt uns auf: Sportlich-dynamisch betritt der 48-Jährige aus Künzelsau das Studio. Am Krageneck prangt das Logo seines Sponsors, als wäre er immer noch amtierender Weltmeister. Gewürzt mit launigen Sprüchen der Marke „wenn der Reserve-Schirm auch nicht aufgeht, war's nicht unser Tag“ erzählt er von seinen 2.800 Fallschirmsprüngen – er weiß noch nicht, dass daraus ein halbes Jahr nach der Aufzeichnung blutiger Ernst werden soll. Gotthilf dagegen hat erst zwei Sprünge absolviert, den einen davon an Eberhards Bauch hängend. Und der hatte ihm den Sprung auch noch geschenkt, in – raten Sie mal – einer Fernsehshow! Gotthilf will wohl wieder springen, sagt er. Aber ob das gleich ein Hobby macht?

Zum Glück hat Chöre-Fischer noch ein richtiges Hobby: Kreuze sammeln. Das Thema bringt uns ein „Einspieler“ nahe, wie es im Fernseh-Deutsch heißt. Der Kurzfilm kalauert sich „kreuz“ und quer durch die deutsche Sprache, lässt außer „Kreuzotter“ und „Kreuzbandriss“ kaum eine Assoziation aus. Dann darf Gotthilf ein paar Exemplare seiner Sammlung zeigen: Die kreuzförmige Uhr im schöns-ten Gelsenkirchener Barock. Das Grabkreuz eines treuen Fans, von der Witwe geschenkt. Aber Sangesbruder Gotthilf gibt auch gern: Wo immer er die Massen singen ließ, hinterlässt er ein 18 Meter hohes „Friedenskreuz“ – in Österreich, Amerika, Israel. Dort erfreuen sich des stimmgewaltigen deutschen Kreuz-Ritters überdimensionale Hinterlassenschaften sicher ganz besonderer Beliebtheit. Es gibt aber auch Kreuze, die man nicht sehen kann: „Wenn einer die falsche Frau heiratet, hat er sich ja auch ein Kreuz aufgeladen“, gibt Gotthilf nach einigen Schlucken Rotwein zu bedenken (“Ich hätte gern den, wo Trauben mit drin sind“).

Der Eberhard sammelt eigentlich keine Kreuze und mit den Frauen hat er offenbar auch alles richtig gemacht. Aber eines fällt der Vicky doch ein, das beide Gäste haben: das Bundesverdientskreuz. Lebemann Gotthilf hat seins verluscht. Der brave Eberhard lässt sein Ehrenzeichen vom Vater im Safe verwahren: „Ich trag sowieso nicht so gerne Schmuck“. Dreißig Minuten sind überstanden. Das Beste, was die Regie an diesem Nachmittag tut, ist vor dem obligatorischen Fischer-Singen mit dem Publikum die Kamera abzuschalten. Wie betäubt stürze ich aus dem Studio. Der frischen Luft entgegen.

Jan Kahlcke

Promi-Hobby startet morgen, ab dann immer Sonntags, 13 Uhr auf N3. Die Folge übers Fallschirmspringen und Kreuzesammeln wird am 8.10. gesendet.