Liberale Spannung

Auf ihrem Sonderparteitag stimmt die FDP nur über die Wehrpflicht ab, nicht über die Macht in der Partei

BERLIN taz ■ Ganz Deutschland diskutiert über die Benzinpreise – und die FDP hält morgen in Berlin einen Sonderparteitag zum Thema Wehrpflicht ab. Das ist allerdings keine unbegreifliche Fehlentscheidung, sondern unmittelbare Folge der FDP-Satzung: Die schreibt ausdrücklich vor, dass sich ein Sonderparteitagnur mit dem Thema befassen darf, zu dem er einberufen wurde. In diesem Falle also mit der Frage: Soll die Wehrpflicht beibehalten oder ausgesetzt werden?

Im Juni war der Sonderparteitag beschlossen worden. Damals hatte es noch so ausgesehen, als entscheide dieses Thema zugleich über den internen Machtkampf innerhalb der FDP. Parteichef Wolfgang Gerhardt galt als Befürworter der Wehrpflicht, sein Gegenspieler Jürgen Möllemann plädiert für deren Aussetzung. Mittlerweile aber unterstützt auch Gerhardt einen Antrag für die Aussetzung der Wehrpflicht – eine Entscheidung, die Generalsekretär Guido Westerwelle „in der Sache richtig und strategisch klug“ nennt. Den Anlass zum Positionswechsel lieferte Gerhardt die Bundeswehrreform von Rudolf Scharping. Der FDP-Vorsitzende begründet seine neue Haltung damit, dass die künftige Struktur keine Wehrgerechtigkeit mehr biete.

1992 hatte sich die FDP noch klar für die Beibehaltung der Wehrpflicht ausgesprochen, und 1997 führte ein Mitgliederentscheid, der allerdings wegen zu geringer Beteiligung keine bindende Wirkung hatte, zu demselben Ergebnis. Morgen wollen prominente Parteigrößen wie der ehemalige Außenminister Klaus Kinkel und der frühere Fraktionsvorsitzende Hermann Otto Solms ein weiteres Mal für die Beibehaltung der Wehrpflicht kämpfen. Generalsekretär Guido Westerwelle sagte gestern, er rechne mit einer „sehr kontroversen Debatte“ und einem „knappen Ausgang“.

Auch wenn morgen also nicht über die Machtfrage innerhalb der FDP entschieden wird, so hat sich der ambitionierte nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Jürgen Möllemann dennoch eine Bühne auf dem Parteitag gesichert: Er hat sich bisher nicht dem Antrag des Vorstands für die Aussetzung der Wehrpflicht angeschlossen, sondern bringt einen eigenen Antrag ein. Den darf er dann natürlich auch begründen. Die Parteispitze erwartet dennoch, dass die endgültige Entscheidung zwischen dem Vorstandsantrag und dem der Wehrdienstbefürworter fällt.

Ob die FDP, wie von Möllemann gewünscht, mit einem eigenen Kanzlerkandidaten in den nächsten Bundestagswahlkampf zieht, ist nach den Worten von Guido Westerwelle weiter offen. Die Partei strebe aber in jedem Falle an, so stark zu werden, dass eine Regierungsbildung ohne die FDP nur im Falle einer großen Koalition möglich sei. Daraus folge für den Wahlkampf eine „ganz klare Unabhängigkeitsstrategie“. BETTINA GAUS