Zwei Konzerte für einen Hund

Der Bund der polnischen Versager in Berlin e. V. lud zum Polenmarkt-Festival. Zu Lesungen, Liebesgedichten und Theaterstücken kamen Deutsche und Polen und zum Bedauern der Veranstalter aber nur ein einziger Vierbeiner

Sie haben eine gute Ausbildung. Trotzdem fahren sie Taxi, machen Fließbandjobs oder schrauben Waschmaschinen zusammen. Ehen und Familien gingen in die Brüche. Die 15 Polen sehen sich als Versager. Also gründeten sie im April den „Bund der polnischen Versager in Berlin e. V.“. Vereinsmitglied Piotr Mordel sagt: „Eigentlich mögen wir uns nicht. Wir streiten immer. Aber das Versagen eint uns.“

Im Rahmen der Deutsch-Polnischen Woche veranstaltete der Versager-Verein am Samstag in der Schwarzschen Villa in Steglitz ein „Polenmarkt-Festival“. „Auch damit werden wir scheitern“, erklärt Vereinsmitglied Leszek Oswiecimski schulterzuckend, bevor es losgeht. „Es sind doch überhaupt keine Hunde da.“ Dabei soll das Kulturprogramm mit einem Konzert für Hunde beginnen. Auch die als Sponsor angefragte Hundefutterfirma hat schriftlich abgesagt. Die Hunde in Deutschland tun dem Verein Leid. „Sie wissen nichts“, sagt Piotr Mordel.

Ein kleiner schwarzer Hund kommt dann aber doch. Für ihn spielt indes nicht, wie ursprünglich vorgesehen, eine Jazzband. Stattdessen stöpselt ein sanftäugiger Künstler an einem hohen Apparat mit vielen Kabeln herum und erzeugt Pfeifgeräusche. Das klingt manchmal nach Krötenglucksen, manchmal nach übersteuertem Hundegebell. Wenn es besonders schrill fiepst, bellt das Hündchen zurück.

In tiefen Schlaf verfällt es dagegen beim Auftritt des Tenorsängers Piotr Czajkowski. In Begleitung eines Kassettenrekorders singt Czajkowski polnische Tanzlieder. Bei einer ausholenden Armbewegung zerstört er dabei eine Porzellanpudelfigur, die eine Besucherin aus Solidarität mit den Veranstaltern auf den Stuhl neben sich gestellt hatte.

Trotzdem beurteilen die polnischen Versager im Laufe des Nachmittags ihr Festival doch noch als Erfolg. Immer mehr polnische und deutsche Gäste trudeln ein. Viele sind aus dem Umkreis der Kolano – der ebenfalls von Versager-Mitgliedern herausgegebenen „literarisch-unkultivierten“ deutsch-polnischen Zeitung. Eine Dozentin der Humboldt Universität liest in beiden Sprachen eine Geschichte mit dem Titel „Lieber Rainer“ vor. Sympathien erwirbt sich die Autorin mit kulturübergreifend funktionierendem Lustigmachen über „grinsende Wessis in Prenzlauer Berg“, „Jeans aus dem Intershop“ und „Schwiegermutter Edeltraut“. Der polnische Teil der Lesung macht auch dann Spaß, wenn man nichts versteht. Der Klang der vielen „tsch“-Laute vermischt sich angenehm mit dem Rauschen des Regens vor den Fenstern.

Im weiteren Programm tritt ein feiner alter Herr vor das Publikum. Er ist 90 Jahre alt und hat Heinrich Heine ins Polnische übersetzt. Mit ernstem Gesicht trägt er Liebesgedichte vor. Besonders schön ist der Vers über die „kichernden Veilchen“. In dem Theaterstück „Oma Sophia“, verarbeitet ein Regisseur die Erlebnisse seiner Großmutter: ein gut aussehender Mann zieht sich aus, ein anderer stürzt aus dem Fenster. In den Pausen sieht man viele glückliche polnische Versager durch die Villa laufen. „Alle tun so, als ob sie erfolgreich seien. Dabei sind sie es gar nicht“, sagt Piotr Mordel. „Deswegen mögen sie uns.“ KIRSTEN KÜPPERS