oper ohne ende
: Barenboim geht, Barenboim bleibt

Die Akteure des Berliner Opernstreits haben die Geschichte des Musiktheaters um Jahrhunderte zurückgedreht. Wie in der Nummernoper des 18. Jahrhundert tritt ein Akteur nach dem anderen an die Rampe und trällert seine Arien ins Publikum – mal verführerisch, mal abstoßend, aber immer als Solist. Ensembleszenen gibt es nicht, auch das Regietheater des 20. Jahrhunderts ist noch nicht erfunden: Über schrille Arien und lautes Türenknallen hinaus können die Zuschauer in dem verworrenen Drama, das gerade seinem Höhepunkt zustrebt, keinen Sinn erkennen. Die ordnende Handschrift eines Regisseurs ist weit und breit nicht zu auszumachen.

Kommentarvon RALPH BOLLMANN

Wenig Ensemblegeist verriet auch die Art und Weise, wie im Lauf der vergangenen Woche das Ergebnis des lang erwarteten Gesprächs zwischen Kultursenator Christoph Stölzl und Staatsoper-Chef Daniel Barenboim an die Öffentlichkeit drang. Am Montag gab Stölzl eine sorgsam komponierte Pressemitteilung heraus: Barenboim geht. Am Samstag trällerte der Dirigent in einem Zeitungsinterview zurück: Barenboim bleibt.

Es geht zu wie in einer jener verworrenen Opernhandlungen, in denen die Akteure auf der Bühne noch nicht wissen, was hinter ihrem Rücken längst entschieden ist. Jene 3,5 Millionen Mark, an denen Barenboims Verbleib angeblich scheitert – sie könnten von einem genialen Librettisten ersonnen sein, um die kathartische Katastrophe noch ein bisschen hinauszuzögern und die Zuschauer bis zum Finale, sprich: bis zur finalen Opernfusion bei Laune zu halten.

Der nächste Akt spielt heute Nachmittag im Theaterausschuss des Abgeordnetenhauses. Von Defiziten und verschleppten Reformen werden die immer gleichen Strophen handeln, stereotyp vorgetragen von den Koloraturmaschinen des Berliner Kulturbetriebs. Bis zum frühen 19. Jahrhundert sind die Haushaltskünstler dann immerhin vorgedrungen – es wird so schrill zugehen wie in den Szenen, mit denen Rossini seine Zuschauer meist in die Pause entließ: Alle singen aneinander vorbei, und am Ende herrscht höchste Verwirrung.