Unis erforschen Billigtarife

Die Hochschulen haben Innensenator Werthebach aufgefordert, den bundesweit einmaligen Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte zu kündigen. Betroffene fürchten Lohnkürzungen

von RALPH BOLLMANN

Die studentischen Hilfskräfte an den Berliner Hochschulen müssen bald wieder für die Ehre arbeiten. Den Tarifvertrag, der – bundesweit einmalig – die Rechte von „Hiwis“ und Tutoren festschreibt, wollen die Hochschulen zum 31. Dezember kündigen. Der Präsident der Technischen Universität, Hans-Jürgen Ewers, hat als Vorsitzender der Berliner Rektorenkonferenz den für das Personal zuständigen Innensenator Eckart Werthebach (CDU) zu diesem Schritt aufgefordert. Dafür hat der Senator bis zum 30. September Zeit.

In einem Schreiben, das der taz vorliegt, begründet Ewers diesen Wunsch mit der Forderung nach „mehr Flexibilität“. Den Hochschulen gehe es darum, Arbeitsverträge mit einer Laufzeit von weniger als zwei Jahren abschließen und Hilfskräfte beispielsweise im Fach Informatik besser bezahlen zu können. Dafür müsse teilweise auch das Hochschulgesetz geändert werden, schreibt Ewers: „Dieses würde erheblich erleichtert, wenn ein entsprechendes Übereinkommen mit den Gewerkschaften erzielt werden könnte.“

Studenten und Gewerkschafter halten die Argumente der Uni-Chefs allerdings für vorgeschoben. „Alles, was die Hochschulen verlangen, ist jetzt schon möglich“, sagt Fernando Galvan vom Personalrat der studentischen Beschäftigten an der Freien Universität. So würden in begründeten Fällen schon jetzt Hilfskräfte für kürzere Zeiträume eingestellt. Verhandlungen über mehr Flexibilität seien auch bei laufendem Tarifvertrag möglich, also ohne einseitige Kündigung durch die Arbeitgeber.

In Wahrheit, so glauben die Betroffenen, haben es die Uni-Chefs auf die vergleichsweise gute Bezahlung der Berliner „Hiwis“ abgesehen. Während sie für ihre Dienste rund 20 Mark pro Stunde erhalten, liegen die Sätze in den meisten Bundesländern zwischen 11 und 16 Mark – in einigen Ost-Ländern sogar unter 10 Mark. Außerhalb Berlins gilt die Zuarbeit für den Professor noch immer in erster Linie als Ehre, der Stundenlohn wird folglich eher als Aufwandsentschädigung angesehen.

Bereits vor zwei Jahren hatte der damalige Wissenschaftssenator Peter Radunski (CDU) die Hochschulen dazu aufgefordert, den Tarifvertrag zu kündigen und das Gehalt der rund 5.500 studentischen Hilfskräfte um 25 Prozent abzusenken. Nach Streikdrohungen der Gewerkschaften lehnten die Uni-Chefs das Ansinnen jedoch ab, obwohl Radunski ihnen mit Haushaltskürzungen drohte. Für das eingesparte Geld, so Radunski damals, könnten zusätzliche Tutoren eingestellt werden.

Nicht ohne Grund schielen die universitären Haushaltshüter regelmäßig auf die Hiwi-Gelder, wenn es neue Sparpotenziale zu erschließen gilt. Zwar handelt es sich nur um einen vergleichsweise kleinen Haushaltsposten. Doch weil die Verträge nicht länger als zwei Jahre laufen, lässt sich hier kurzfristig Geld einsparen – anders als beim übrigen Personal, das größtenteils auf Lebenszeit beschäftigt und gegen Gehaltskürzungen rechtlich abgesichert ist. Weil die Finanzkrise der Berliner Hochschulen bereits zehn Jahre andauert, werden die Spielräume für Einsparungen ohnehin immer enger.

Dabei galt der in den 80er-Jahren abgeschlossene Tarifvertrag ursprünglich als ausgesprochen kostengünstiges Mittel, um die Lehre spürbar zu verbessern – durch den forcierten Einsatz von studentischen Tutoren im Rahmen eines so genannten „Berliner Modells“. Bereits 1986 war der damalige Wissenschaftssenator Wilhelm Kewenig (CDU) mit dem Versuch gescheitert, den Tarifvertrag ersatzlos zu streichen: Die Hiwis hatten kurzerhand den ganzen Lehrbetrieb lahm gelegt.