Gottes Werk, Corgans Beitrag

Viel Gefühlsrhetorik und noch mehr charismatischer Lärm im großen Rocktheater:Die amerikanische Alternative-Rockband Smashing Pumpkins auf Abschiedstournee

Den Witz verstehen natürlich alle, die ihm zugrunde liegende Anspielung schon weniger. Lachen aber will das an sich gutwillige Publikum nicht, als Billy Corgan von den Smashing Pumpkins am Samstagabend in der Berliner Arena seine Band vorstellt und die Mitspieler an Gitarre, Bass und Schlagzeug plötzlich als „Zlatko“, „Jürgen“ und wieder „Zlatko“ bezeichnet.

Corgan aber freut sich sichtlich. So was muss sein in Deutschland, genau wie ein Rammstein-Zitat, und er glaubt damit ganz unten zu sein mit seinen hochkultivierten Fans, die von ihm in diesen Tagen noch einmal mit allerletzten Konzerten beglückt werden.

Von so einer inszenierten Abschiedstour kann man natürlich halten, was man will, folgt in der Popwelt auf einen Abschied doch immer wieder auch ein Comeback. Doch die Auflösung der Smashing Pumpkins passt in bestimmter Hinsicht. Denn die Band weiß noch, wie man Grunge buchstabiert, wer Kurt Cobain war, und warum er sterben musste, und sie merkt neuerdings, dass es nicht leicht ist, mit neuen, ungestümen Bands wie Limp Bizkit, Korn oder Pennywise um die Gunst eines Rockpublikums zu wetteifern.

Andererseits hat Corgan sich mit seiner Musik nie als Teil einer Jugendbewegung verstanden, sondern immer als Dichter und Großkünstler aus einer anderen Welt: Hochkultur statt Pop, Kunst statt Wegwerfware. Sein Problem dabei war bloß „dass seine Arbeit nicht als kulturell wichtiger Beitrag angesehen wird“, wie Kim Gordon von Sonic Youth das einmal gesagt hat, und seine Songs lediglich als Musik für Millionen verstanden wurde: Genau wie die von Ballermännern wie Zlatko oder Rammstein eben auch. Tragisch, aber toll.

Immerhin finden sich zu den Smashing Pumpkins an diesem Abend locker um die 7.000 Leute ein – Alternative Rock oder eben Grunge mag ein Auslaufmodell sein, was zum Beispiel das Konzert der Foo Fighters einige Wochen vorher an selber Stelle bewies, die Smashing Pumpkins aber nicht. Das Publikum, das sich zu gleichen Teilen aus Frauen und Männern zusammensetzt (ungewöhnlich bei Rockkonzerten), besteht aus alten und auch einigen neuen, jungen Fans. Vor allem aber aus Leuten, die keiner bestimmten Szene mehr angehören, die ihr Plätzchen gefunden haben und die Band insbesondere aus Medien wie dem das Konzert mit veranstaltenden Privatradiosender 87,9 Rock kennen.

Denen bieten die Smashing Pumpkins zweieinhalb Stunden noch einmal alles, wofür man sie die Neunziger über schätzen und hassen gelernt hat: Großes, sämiges, schwitziges Rocktheater. Ganz viel Gefühlsrhetorik, ganz viel charismatischer Krach, ganz viel Musik im Sinne solcher verschwurbelt-verschwiemelter Albumtitel wie „Mellon Collie And The Infinite Sadness“ oder „Machina/The Machines Of God“.

Der erste Akt besteht aus Nummern, die man gemeinhin Balladen nennt, Musik zum Träumen und Wegfaden, was dann auch viele tun, ohne unruhig zu werden. Da kümmert sich der wie üblich kahl geschorene Corgan in seiner weißen, oben sehr engen, unten weiten Kutte wie ein Hohepriester um seine Schutzbefohlenen; träufelt Wasser auf ihre Häupter, ruft elegisch mit den Händen gestikulierend höhere Mächte an und quengelt sich seine Lyrics zu einem alle anderen Instrumente übertönenden Klavier aus dem Leib. Bevor man sich aber nach einer gut halben Stunde genauer überlegen kann, was es seinerzeit eigentlich mit Bands wie Emerson Lake & Palmer und Barclay James Harvest auf sich hatte, verschwindet die Band zu einem langen, viel umjubelten Schlagzeugsolo (!) von der Bühne, um dann geläutert und mit frischen Schwung zurückzukommen.

Das ist der zweite Akt. Corgan hat die weiße gegen eine schwarze Kutte getauscht und schüttelt nun den Hochgeschwindigkeitsrock aus Ärmel und Gitarre: Endlich kann rausgelassen werden, was sich da angestaut hatte, endlich lösen sich alle Spannungen in tausendundeinem Hook. Im dritten Akt, der übergangslos auf den zweiten folgt, ist dann Märchenstunde angesagt mit Alle-Zeiten-Favoriten wie „Disarm“, „Tonight, Tonight“ oder einem neueren Stück wie „I Of The Mourning“. Die werden bleiben, davon können alle später ihren Kindern erzählen. Genau wie vom Ende dieses Konzerts. Corgan verbeugt sich hier, verbeugt sich dort, beklatscht das Publikum und dieses ihn, minutenlang, und dann ist es ein profaner Roadie, der einfach den Vorhang zieht und Corgan darauf hinweist, endlich zu verschwinden. GERRIT BARTELS

Weitere Konzerte: 18. 9. Hamburg, 21. 9. Frankfurt, 23. 9. Oberhausen, 24. 9. München