Betrug, Lügen, Videos

Peru kann es kaum glauben: Der sture Aussitzer Präsident Fujimori hat seinen Rücktritt und Neuwahlen angekündigt. Der letzte Skandal war einer zu viel

von INGO MALCHER

Es war ein Schock für das Land; ein freudiger Schock für viele. Alberto Fujimori, seit zehn Jahren Präsident Perus und erst im April nach fragwürdiger Verfassungsänderung und noch fragwürdigerer Wahl in seine dritte Amtsperiode getreten, wandte sich am Samstag via Fernsehen und Rundfunk mit folgenden Worten ans Volk: „Nach langen Überlegungen habe ich entschieden, erstens den Nationalen Geheimdienst zu deaktivieren und zweitens so bald wie möglich Neuwahlen auszurufen. An den Wahlen wird der, der spricht, nicht teilnehmen.“ Einen genauen Wahltermin nannte er nicht. Unmittelbar nach der überraschenden Botschaft zogen Tausende feiernd durchs Zentrum der Hauptstadt Lima.

Dies waren ungeahnte Töne von Fujimori, an dem bislang jeder Skandal abgeprallt ist, der noch jedes Problem in kohlscher Manier durch Aussitzen überstanden hat. Auslöser seiner Entscheidung war ein Korrputionsskandal, der das Land seit Donnerstag nicht mehr zur Ruhe kommen lässt.

In Lima waren Videobänder aufgetaucht, die beweisen, dass Fujimoris wichtigster Vertrauter, sein Geheimdienstberater Vladimiro Montesinos, Kongressabgeordnete der Opposition bestochen hat, damit sie zur Fraktion von Fujimoris Partei „Peru 2000“ überlaufen. Auf dem Videoband ist Montesinos zu sehen, wie er den Oppositionsabgeordneten Luis Alberto Kouri fragt: „Wie viel?“ Der Befragte antwortet kurz: „15.000.“ Nach Ansicht der Opposition ist damit klar, dass sich Kouri seinen Wechsel von der Oppositionsbank „Peru Posible“ zur Regierungsbank „Peru 2000“ mit 15.000 Dollar hat vergolden lassen. Weiter ist auf dem 53-minütigen Band zu sehen, wie Montesinos Kouri ein Papier unterschreiben lässt – vermutlich seine Erklärung, die den Wechsel offiziell macht.

Bei den Parlamentswahlen im April hatte Fujimoris Liste „Peru 2000“ die Mehrheit knapp verfehlt. Von 120 Sitzen konnte die Gruppierung sich nur 53 Sitze sichern. Vor und während der Eröffnungssitzung sind 12 Oppositionsabgeordnete zur Regierung übergelaufen. Der Oppositionsführer Alejandro Toledo hat schon damals Fujimori und Montesinos des Abgeordnetenkaufs beschuldigt.

Bislang konnte Fujimori solche Vorwürfe allzu oft als Gerüchte vom Tisch wischen, auch wenn sie durchaus glaubhaft waren. Diesmal ist ihm die Situation entglitten. Zu offensichtlich ist die Beweislage. Das Videoband von der Geldübergabe ist, übereinstimmenden Medienberichten zufolge, vom Geheimdienst selbst gedreht worden. Es wurde der Fernsehstation von der Opposition zugespielt, muss also aus dem Geheimdienst an die Opposition gelangt sein. Mag sein, dass diese Tatsache Auslöser für Fujimoris angekündigten Rückzug ist. Sie könnte darauf hindeuten, dass Montesinos, der böse Geist Perus seit Jahren, der unentbehrliche Strippenzieher hinter und für Fujimori, nicht mehr zu kontrollieren ist, dass damit auch der Geheimdienstapparat nicht mehr zu kontrollieren ist. Die angekündigte „Deaktivierung“ wäre nur logisch. Ob die jedoch klappt? Manche politischen Beobachter halten ein undurchsichtiges Spiel des Teams Fujimori/Montesino nach den Erfahrungen der letzten Jahre für möglich. Ein führender Oppositionsabgeordneter wollte auch nicht ausschließen, daß Montesinos bleibt, wenn Fujimori geht.

Wie es um die Kräfteverhältnisse im peruanischen Machtapparat bestellt ist, wird sich zeigen, wenn der Nachfolgekandidat feststeht. Es könnte Fujimoris ehemaliger Außenminister Francisco Tudela sein, ein beliebter, erzkonservativer Politiker, der im Wahlkampf zu Fudjimori gehalten hat wie ein Ritter zu seinem Lehnsherrn.

Abzuwarten bleibt das Verhalten der Opposition. Neben den Freudenkundgebungen auf der Straße gab es eher verhaltene und unsichere Stellungnahmen von Oppositionspolitikern. Fujimoris Gegenkandidat bei den Präsidentschaftswahlen im April, Alejandro Toledo, hielt sich zum Zeitpunkt der Fernsehansprache in Washington auf. Es ist sicher kein Zufall, dass Fujimori seinen Abgang verkündet hat, als sein Gegner außer Landes war und keine Siegesfeier in Lima abhalten konnte. Toledo war für Fujimori ein beeindruckender Rivale. Was wird er ohne Fujimori sein? Er hat nur ein dünnes politisches Programm. Die Opposition, die sich hinter ihm vereint hatte, um den Schurken Fujimori zu schlagen, könnte ohne diesen Schurken wieder zersplittert agieren. Das wäre fatal.

Toledo selbst äußerte sich vor seinem Rückflug aus Washington skeptisch: „Fujimoris Ankündigung, zu gehen, ist ein gemeinsamer Erfolg aller Peruaner. Aber“, so fügte er hinzu, „ich bezweifle, ob er sein Wort halten wird.“