Hierarchie des Rassismus

Studentinnen der Hamburger Internationalen Frauenuniversität wollen mehr als Multikulti zum Selbstzweck: Genau das ist das Problem außerhalb der Uni  ■ Von Sandra Wilsdorf

Ein Grillabend bei Freunden. „So etwas gibt es bei Euch wohl nicht zu essen, wie?“, nähert sich ein Mann Tamarah Rollocks. „Ich weiß nicht, was Du meinst, ich komme aus dem Land des BBQ.“ Sie nennt es „Hierarchie des Rassismus“ und es ist das, was sie am meisten nervt in Deutschland. „Erst denken die Leute, ich käme aus Afrika.“ Das bedeutet gönnerhafte Sprüche, und dass sie die Geschichte ihrer Schwangerschaft der Sprechstundenhilfe am Empfang erzählen soll. „Wenn ich aber den Mund aufmache, merken die Leute, dass ich aus den USA bin, und das ändert alles.“ Dann erzählen sie von Urlauben und von der Tante aus Florida. Tamarah lebt seit neun Jahren in Altona, ihre zwei Kinder sind hier geboren, sie hat ein Diplom in Sozialpädagogik und ist eine der 140 Hamburger Studentinnen der Internationalen Frauenuniversität (ifu).

Wie ihr, geht es auch ihrer Komilitonin Melanie Dunn. Die kommt aus Jamaika, hat Kommunikationswissenschaften studiert, in München ein Praktikum als Web-Designerin gemacht und will in den Neuen Medien arbeiten: „Auf einer Party fragte mich neulich einer, was es bei uns denn wieder für einen Putsch gegeben hätte.“ Als sie sagte, sie käme aus Jamaika, erntete sie Bewunderung. „Bob Marley, Reggae Music, genial.“

Aber die selektive deutsche Freude über Multikulturelles beobachten die Frauen auch in den Medien: „Die berichten immer nur, dass hier Frauen aus 60 Ländern studieren, und wie multikulturell das doch ist“, sagt Melanie Dunn. „Dabei ist das Multikulturelle kein Selbstzweck“, findet Therona Moodley, die an der „University of South Africa“ in Pretoria Englisch unterrichtet. Sie findet eher phantastisch, so viele Frauen mit akademischen Geschichten und interessanten Lebensläufen auf einmal zu treffen.

Dahin war es ein langer Weg. Denn deutsche Behörden wollen offenbar nicht den Eindruck vermitteln, hier sei irgendjemand willkommen, der nicht hier geboren ist. Dazu können die meisten ifu-Studentinnen beschämende Geschichten erzählen. Therona Moodley beispielsweise hat erst fünf Stunden angestanden, „und dann wollte mir die Frau nur ein Visum bis zum 10. Oktober geben.“ In den offiziellen Briefen stand, die ifu würde um den 10. Oktober enden. Da war allerdings schon klar, dass sie bis zum 15. gehen würde. Weil Therona Moodley nicht ausgerechnet das Ende verpassen wollte, ging sie wieder, ließ sich und per e-mail bestätigen, dass ihr Visum mindestens bis Mitte Oktober gehen müsste, nahm sich wieder einen Tag frei. „Wir akzeptieren keine e-mails“, ranzte die Botschafts-Angestellte und donnerte ihr ein Visum in den Pass, das am 11. Oktober ausläuft. „Ich habe mich nicht mehr getraut, dagegen zu protestieren.“ Sie fühlt sich gedemütigt, „nur weil ich aus einem Drittweltland komme, nehmen die sogleich an, ich wolle mich hier einschleichen.“

Nun, da sie in Hamburg ist, mache sie überwiegend nette Erfahrungen, fühle sich aber ständig angestarrt. Egal wie die Blicke gemeint sind, sie nerven. Genauso, wie der Club auf der Reeperbahn, der nur von den schwarzen Mitgliedern der ifu-Gruppe die Ausweise sehen wollte mit der Begründung: „Wir hatten Schwierigkeiten wegen Drogen.“

„Wenn Du vorher nicht wusstest, dass du schwarz bist, hier lernst du es“, sagt Tamarah Rollocks und hat inzwischen eine Strategie: Zurückstarren und Kraft tanken bei anderen. „Es ist wichtig, einander zu versichern, dass wahr ist, was wir erleben.“ Denn gutmeinende Erklärungsversuche wie „ist doch nicht so gemeint“ und „sei doch nicht so empfindlich“ machten den Schmerz nicht kleiner. Für sie ist klar: „Deutschland braucht ein Antidiskriminierungs-Gesetz.“ Und die Leute sollten nicht immer so tun, als gäbe es keine Probleme. „Die Gefahr ist die Ignoranz der normalen Leute“, glaubt Moodley.