Achterbahnfahrt mit Loopings

Die deutschen Handballer verschenken den Sieg gegen Südkorea und müssen sogar mit dem Remis zufrieden sein

SYDNEY taz ■ Das zweite Vorrundenspiel der deutschen Handballer gegen Südkorea glich einer Achterbahnfahrt mit mehreren Loopings. Von den Asiaten erst eiskalt erwischt und phasenweise mit Leichtigkeit ausgespielt, kämpfte sich das Team in die Partie hinein und schien Mitte der zweiten Halbzeit einem klaren Sieg zuzustreben, ehe die Koreaner zurückschlugen und hauchdünn vor dem Erfolg standen.

Erst sieben Sekunden vor Schluss rettete Kreisläufer Christian Schwarzer mit seinem sechsten Tor zum 24:24 (10:13) wenigstens einen Punkt. Und wenn Jörg Kunze in letzter Sekunde nicht wagemutig einen Gewaltwurf von Paek Won-Chui abgeblockt hätte, wer weiß, ob die Lederkugel nicht im deutschen Tor eingeschlagen hätte. Der Linkshänder vom TV Großwallstadt stoppte das Spielgerät irgendwo zwischen Brust und Kinn und blieb erstmal benommen liegen.

„Das hat Nerven gekostet“, meinte Bundestrainer Heiner Brand. „Leider unnötig.“ Bei der Analyse gingen ihm nur die Nachlässigkeiten seiner Spieler durch den Kopf. „Beim Stand von 19:16 hatten wir auch noch doppelte Überzahl“, schimpfte Brand, „da hätten wir den Sack zumachen müssen.“

Doch gerade in ihrer besten Phase fielen die Deutschen in alte Schwächen zurück. Unkonzentriertheiten beim Kreisanspiel und beim Abschluss halfen dem taumelnden Gegner wieder auf die Beine. Plötzlich sah das Spiel wieder so aus wie zu Beginn, als der elffache Torschütze Yoon Kyung-Shin und seine Kameraden Katz und Maus spielten mit Schwarzer & Co. und gleich dreimal mit einem so genannten Doppel-Kempa zum Erfolg kamen. Beim Stand von 5:10 schien sich noch ein deutsches Debakel anzubahnen.

Später und mit ruhigerem Adrenalinpegel ausgestattet, fand Brand auch Worte des Lobes. Es habe sich gezeigt, „dass wir etliche Variationsmöglichkeiten haben“. So etwa Kunze und Wenta im Rückraum, wenn im Angriff nichts läuft. Oder das Wechselspiel in der Mitte zwischen von Behren und Baur sowie das von Kehrmann und Roos auf Rechtsaußen. Brands Fazit: „Es gibt bei uns keine erste und zweite Reihe mehr.“

Mit jeder Minute mehr, die zwischen dem Abpfiff und der nächsten Aufgabe gegen Jugoslawien (Mittwoch, 12.30 Uhr) lag, freundete sich die deutsche Handballdelegation mit dem Remis an. „Die Koreaner haben doch phänomenal gespielt“, sagte der vierfache Torschütze Stefan Kretzschmar, „die sind für mich trotz ihrer 1:3 Punkte noch ein Medaillenkandidat.“ Christian Schwarzer, der mit sechs Treffern aus sechs Versuchen glänzte, lobte den „Spielwitz der Koreaner“, und am Ende erklärte auch Brand, er habe immer „großen Respekt“ vor den Koreanern gehabt. „Die haben hohe Ziele, und die können sie auch erreichen.“

Jetzt folgen gegen Jugoslawien und Russland „leichtere Spiele, weil die einen europäischen Stil pflegen“, wie die Deutschen glauben. Es scheint, als sollte man den Tenor deutscher Wortmeldungen so bewerten: Wer gegen Südkorea nicht verliert, kann in Sydney alles erreichen. Gewagt, gewagt. RALF MITTMANN