Richter Schill plädiert für Freispruch

„Richter Gnadenlos“ steht wegen Rechtsbeugung vor Gericht: Ronald Schills Anwalt hält die Anklage für tendenziös

HAMBURG taz ■ Vor dem Landgericht bevorzugt er das Schweigen. Was Richter Ronald Schill zu seiner Anklage zu sagen hat, verkündet er lieber außerhalb des Gerichtssaales vor Fernsehkameras. Jede Prozesspause nutzt er für eine weitere Prognose, er werde freigesprochen, „hundertprozentig“. Beunruhigen würde ihn nicht die drohende Verurteilung wegen Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung, sondern allein die „Verschwendung von Geldern“ durch seinen Prozess. Vor den Richtern der Großen Strafkammer des Hamburger Landgerichts wird Schill sich „erst im Laufe des weiteren Verfahrens äußern“, kündigte sein Rechtsanwalt Walter Wellinghausen am ersten Prozesstag gestern an.

Schill ist der erste Richter der hanseatischen Justizgeschichte, der sich wegen einer Amtshandlung strafrechtlich verantworten muss. Im Mai vorigen Jahres hatte er zwei Prozesszuschauer aus der linken Szene in Ordnungshaft nehmen und drei Tage im Gefängnis sitzen lassen. Indem er die umgehend eingereichte Beschwerde erst Tage später an das Oberlandesgericht weiterleitete, habe er eine Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung begangen, wirft die Anklage Schill vor.

Dessen Verteidiger wandte gestern ein, Schill wäre zum „unverzüglichen Weiterleiten“ nicht verpflichtet gewesen. Der Staatsanwaltschaft warf er vor, dass sie „eine Tendenz gegen Schill verfolgt und nicht ihre Pflicht zur Würdigung auch aller entlastenden Momente wahrnimmt“. Sollte Schill verurteilt werden, lautet die Mindeststrafe ein Jahr Haft. Damit würde er juristisch als „Verbrecher“ gelten – und könnte nicht mehr als Richter arbeiten. Zum Jahreswechsel hatte das Gerichtspräsidium ihn vom Straf- ans Zivilgericht versetzt. Vorige Woche wurde er wegen seines eigenen Verfahrens vorläufig vom Dienst suspendiert. Erklärtes Ziel Schills, der kürzlich eine eigene Partei gründete, ist aber ohnehin, Innensenator von Hamburg zu werden. ELKE SPANNER