Der ganz große Abgang

■ Das Ende der Neunziger: Die „Smashing Pumpkins“ auf der eigenen Beerdigung

„Where's the f*** problem ...?“, flucht Billy Corgan über die Ordner, die einen Fan recht rüde von der Bühne befördern. Niemand soll ihm seine Inszenierung leidig machen, den letzten Auftritt vor Hamburger Publikum. Erst recht nicht die überforderte Security, die pöbelt und rumschubst.

Voll, wenn auch nicht ausverkauft, ist die Sporthalle zu einem der vier „Sacred and Profane“-Auftritte in Deutschland, der letzten Tournee der Smashing Pumpkins: Nebelschwaden umwabern die Halle für die ankommenden Fans, im Inneren violettes Licht auf der sparsam gehaltenen Bühne, noch mehr Nebel, dann stehen sie dort mit ihren Akustik-Gitarren. Kein Kracher, kein Lärmorkan eröffnet das Konzert, dafür ruhige Klänge des Machina-Albums mit viel Unterstützung der beiden unauffällig platzierten Keyboarder. Die erste halbe Stunde sind James Iha und Corgan nicht gewillt, zur E-Gitarre zu greifen. Es ist das „Weiße Set“, nach dem Gewand Corgans zu urteilen: Wie ein Hohepriester steht er dort und zelebriert die eigene Beerdigung – und es scheint ihm zu gefallen. Mit ausgebreiteten Armen beschwört er „Raindrops & Sunshowers“, geht über in eine swingende Version von „Today“.

Schnitt. Kurze Pause und die Band erscheint wieder zum „Schwarzen Set“: „You know I'm not dead!“, schreit die kahlköpfige Diva Corgan, diesmal im schweren schwarzen Mantel, auferstanden von den Toten. Nach dem heiligen lösen sie nun den profanen Teil der Tour ein: Es wird laut. James Iha steht wie Bassistin Melissa Auf Der Maur eine Viertel-Drehung abgewandt von Corgan. Respekt? Direkt dahinter in vor Selbstbewusstsein strotzender Festbeleuchtung: Drummer Jimmy Chamberlin, der sein Comeback feiert: clean und mit der Arroganz des Siegers. Er scheint entscheidend zu sein, ist der leitende Background für Corgan, und sein Solo beendet das reguläre Set.

„The killer in you is the killer in me, my love“. Billy Corgan kehrt alleine zurück, seine Getreuen lauschen „Disarm“, dem wohl größten Hit der Band. Und sie wollen nicht aufhören, kommen immer wieder auf die Bühne. Gerade Corgan scheint es zu genießen. Trotzig stehen Machina-Songs im Mittelpunkt, als wollten sie allen zeigen, wie gut ihr nicht gerade erfolgreiches, aktuelles Werk eigentlich sei. Essex' „Rock On“ geht über in die brachiale „Heavy Metal Machine“, „Stand Inside Your Love“ schließt eine weitere Zugabe ab.

„Wir haben Respekt vor all den langjährigen Fans. Wir haben Res-pekt vor jedem, der unsere Musik mag.“ Auch Chamberlin tritt nach vorn, zu elektronischen Beats schrammeln sie „1979“ auf der Klampfe. Dann ist Schluss, eine der größten und prägendsten Rockbands der Neunziger steht dort Arm in Arm.

Wer soll ihn jetzt spielen, den leidenden Rock der Neunziger? Die Grunger sind abgetreten, das Zepter ist weitergereicht an Korn und Limp Bizkit. Volker Peschel