Lilienthal – Mitte des Alls

■ Deutsche Astronomische Gesellschaft läd zum Volksfest und zur Reise durch die Aporien von Quantenmechanik und Gravitationstheorie / Sogar Sir Roger Penrose kam

„Ich muss gestehen: Ich habe von dem Vortrag von Sir Roger Penrose nichts verstanden“, gestand der Vorsitzende der Bremer Olbers-Gesellschaft, Ulrich von Kusserow. Penrose, nobelpreisverdächtig, hatte über Schwarze Löcher und die Quantenmechanik geredet und dem Lilienthaler Astronomie-Jubiläum zu Ehren seine revolutionären Gedanken vorgetragen: Unser Bewusstsein ist an der Schnittstelle von Quantentheorie und Gravitationstheorie angesiedelt, und da dies mathematisch und physikalisch (noch) nicht beschreibbar ist, sind auch Computer, die das Bewusstsein nachbilden, nicht denkbar.

Zusammen mit Stephen Hawking hatte der Oxforder Physiker sich mit dem Phänomen befasst, das als „Schwarze Löcher“ in die Science-Fiction-Filme einging: Orte im Weltall, an denen die Gesetze der Physik nicht mehr gelten. Bei den „Schwarzen Löchern“ endet die Physik. Aus einem „Schwarzen Loch“ ist das Sonnensystem entstanden, in einem „Schwarzen Loch“ wird es wie ein Pendel wieder verschwinden, behauptete Hawking. Und Penrose erklärte den Journalisten in einem fünf-Minuten-Vortrag, warum die Vorstellung, dass die Erde in einem großen „Urknall“ entstanden sei, so nicht stimmen könne: Nach dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik nimmt „Unordnung“ immer nur zu, folglich müsste bei einem „Urknall“ eine unvorstellbar hohe Ordnung geherrscht haben. „Zehn hoch zehn hoch 123“, sagte Penrose, um die Unvorstellbarkeit dieser Ordnung mathematisch präzise zu beschreiben, „wer soll die geschaffen haben?“ In der Hypothese über die Entstehung des Planetensystems von Penrose (und Hawking) gibt es keinen Anfang und kein Ende, kein Bedarf also für Gott.

Vor zweihundert Jahren, als in Lilienthal das größte Teleskop Europas stand und die „Vereinigte Astronomische Gesellschaft“ gegründet wurde, da war die Astronomie noch Laien-Sache: Der Oberamtmann Hieronymus Schroeter hatte kein Fachstudium hinter sich, Heinrich Wilhelm Olbers war Arzt, Friedrich Wilhelm Bessel war Kaufmann. Die Männer des Jahres 1800 hatten in Lilienthal festgestellt, dass es auf der astronomischen Himmelskarte zwischen dem Jupiter und dem Mars eine „Lücke“ gab und dass dort etwas sein müsse. 24 Astronomen in ganz Europa bildeten eine „Himmelspolizey“ und suchten – bald wurde der erste fündig: „Ceres“ wurde der neue Planet genannt.

In Gedenken an die großen Tage der Lilienthaler Astronomie tagt derzeit die Astronomische Gesellschaft , und am Jahrestag, dem 20. September, wird der Oberamtmann Schroeter höchstpersönlich, dargestellt von einem Schauspieler, in Lilienthal für großes Spektakel sorgen. „Gauß, Harding, Bessel und Olbers werden anwesend sein“, verspricht das Kulturamt Lilien-thal, „das Marktvolk jubelt“ (ab 17.30 Uhr, Murkens Hof).

Während man beim Volksfest in das historische Teleskop schauen kann, berichtet der Müchener Physiker Ralph Neuhäuser, was mit den aktuellen Teleskopen gesucht wird: extra-solare Planeten, die an die 330 Lichtjahre entfernt sind. Was die Astronomen an den extrasolaren Systemen interessiert, ist leicht zu sagen: „Wir suchen alle nach dem Ursprung von Leben.“ Anders gesagt: Wenn es andere Sonnensysteme gibt neben unserem – kann dann dort auch Leben entstehen?

K.W.