Nur der Kurzhaarschnitt eint die Kunden

Ein Friseur in Kreuzberg gilt als Geheimtipp unter Schwulen, jetzt gab es dort einen schwulenfeindlichen Übergriff

Kurze Haare, militärisch kurz, so tragen viele Schwule gerne die Haartracht. Ihre Vorliebe teilen sie mit einem guten Teil der türkischen jungen Männer. Und mit GIs, die früher einen Friseurladen in Kreuzberg gerne aufgesucht haben. Wohl unfreiwillig avancierte deshalb jener türkische Friseurladen zum Geheimtipp unter Schwulen.

Bis zum Montagabend. Gegen 17 Uhr wurde vor dem Friseurladen der 22-jährige Manuel S. von einem anderen Kunden angegriffen. Der 33-jährige Türke drohte ihm mit „Du schwule Sau, ich bring dich um!“, spuckte ihn an und schlug ihm ins Gesicht. Dabei brach er ihm das Nasenbein. Nach einer Verfolgungsjagd mit der Polizei wurde der Türke festgenommen.

Adam S., der Bruder des Verletzten, ist bei dem Friseur seit eineinhalb Jahren Stammkunde. „Ich geh da gerne hin, es ist billig und er schneidet gut“, erzählt er. Mit seinem Bruder aus Bremen, der zu Besuch war, unterhielt er sich am Montagabend halblaut, so dass der türkische Kunde, der vor ihnen die Haare geschnitten bekam, alles mitbekam. „Wir haben über alles Mögliche geredet: die Haarspraydosen im Fenster, die wohl aus den Anfängen des Treibgases stammen, über das vergriffene Desiree-Nick-Buch, über meinen Ex-Freund.“

Als Manuel S. hinausging, um vor dem Laden zu telefonieren, ging der türkische Kunde auf Adam S. los. „ ‚Du schwule Sau, du hast hier nicht zu leben‘, hat der mich angeschrien und gedroht, mich umzubringen. Ich bin ganz ruhig sitzen geblieben“, erzählt S. Erbost sei der Türke, der nach Aussage von Adam S.„voller Koks“ war, aus dem Laden raus und auf Adam S.s heterosexuellen Bruder los. Nur das Eingreifen des Ladeninhabers konnte Schlimmeres verhindern.

Schockiert ist Adam S. auch vom Verhalten der Zeugen: Der Angreifer war in ein nahe gelegenes griechisches Restaurant geflüchtet, doch sowohl dort als auch in den Nachbargaststätten wollte keiner etwas gesehen haben. Auch der Pizzabäcker nebenan sorgt sich mehr über den folgenden Polizeieinsatz als über den Angriff: „Eine Polizeirazzia ist nicht gut fürs Geschäft.“

Nach Kreuzberg werden Adam S. und sein Bruder nicht mehr so schnell gehen. „Noch aus dem Auto heraus schrie der Typ, er würde mich kriegen und kaltmachen“, erzählt Manuel S. Auch eine Polizeibeamtin empfiehlt den Brüdern, schnellstmöglich Kreuzberg zu verlassen, eine Gefährdung bestehe. Denn bereits gestern Morgen wurde der Angreifer wieder auf freien Fuß gesetzt. INGRID GEGNER