Abschied auf Raten

Seit März wird bei der „Mittelbayerischen Zeitung“ entlassen. Und den verbleibenden Redakteuren bleibt nur noch „Gummi-Journalismus“

von PHILIPP DUDEK

In Regensburg gehen wundersame Dinge vor sich. Wundersam deshalb, weil man sich einfach wundern muss, wenn eine profitable Tageszeitung mit einer Auflage von rund 145.000 Exemplaren anfängt, ihre Mitarbeiter zu entlassen.

Doch eben diese Dinge passieren zurzeit bei der Mittelbayerischen Zeitung. „Seit März hat der Verleger Peter Esser 50 Arbeitsplätze vernichtet“, sagt Christa Hasenmaile von der IG Medien. Allein in der Redaktion wurden zehn Stellen gestrichen. Genau sei das allerdings nicht mehr nachzuvollziehen: Viele der Journalisten hätten bereits selbst gekündigt, weil sie unter diesen Arbeitsumständen nicht mehr arbeiten wollten.

Ganz neu ist die Nachricht von der Kündigungswelle bei der Mittelbayerischen nicht. Schon im Mai ging die Belegschaft auf die Straße, um gegen den Stellenabbau zu demonstrieren. Genutzt hat dies nichts, und die Stimmung im Haus ist entsprechend angespannt.

Investitionsbedarf

Laut IG Medien begründet der bisher unabhängige Verlag die Entlassungen mit anstehenden Investitionen in die Zukunft. Von zwei bis drei Millionen Mark sei da die Rede gewesen, so Hasenmaile. Für welche Unternehmungen so viel Geld locker gemacht werden soll, weiß niemand. Verleger Esser sieht sich jedenfalls nicht genötigt, zum Stand der Dinge Stellung zu nehmen: „Zu Themen, die keine Aktualität mehr aufweisen, werden wir nicht antworten“, stand auf dem Fax aus Regensburg.

Doch als Folge der Umstrukturierungsmaßnahmen, heißt es aus der Redaktion der Mittelbayerischen Zeitung, seien zentrale Teile des Blattes, wie zum Beispiel die Nachrichtenredaktion, nur noch rudimentär vorhanden. „Es gibt Härtefälle, da arbeiten in einem Ressort zwei Redakteure mit vier Praktikanten. Und in manchen Lokalredaktionen schmeißen ohnehin Praktikanten den ganzen Laden“, berichtet ein Mitarbeiter der Zeitung. „Das ist doch nur noch Gummi-Journalismus.“

Und die Redakteure rechnen damit, dass weitere Entlassungen drohen. Ihnen habe Esser zwar zugesichert, er werde das Blatt nicht verkaufen. Doch obwohl die Mittelbayerische Zeitung im Raum Regensburg eine Monopolstellung hat, könne man nicht so weitermachen wie bisher. Sonst, so wird Esser zitiert, würde es der Zeitung „in zwei Jahren wirklich schlecht“ gehen.

Noch ein Indiz für weitere Einsparungen: Die Unternehmensberatung Sipa aus Saarbrücken, die den Umstrukturierungsprozess seit 1999 begleitet, ist weiterhin in Regensburg tätig.

Der verhängte Einstellungsstopp und die erfolgte Kündigung von nach Gewerkschaftsangaben rund zehn Prozent aller Mitarbeiter nährt in der Redaktion auch weiterhin das Gerücht, Esser wolle mit seiner Politik die Zeitung einfach ausbluten lassen. Allerdings stellt sich dann die Frage, was ein Verleger mit einer blutleeren Zeitung anfängt.

Redakteursschwund

Dass sich in dieser Situation viele Redakteure bei der Mittelbayerischen nicht mehr wohl fühlen, ist klar. „Viele gehen zur tz nach München, weil es einfach Scheiße ist, hier zu arbeiten“, umschreibt ein Mitarbeiter ungeschönt das Arbeitsklima.

Apropos tz: Die gehört, wie der Münchner Merkur, zur Zeitungsgruppe Münchner Merkur, und die wiederum gehört dem Verleger Dirk Ippen. Und eben dieser Herr Ippen ist eine gern verwendete Zutat in der Regensburger Gerüchteküche. Denn sowohl bei der IG Medien als auch in der Redaktion der Mittelbayerischen Zeitung ist immer wieder die Rede davon, die Mittelbayerische würde in Zukunft den so genannten „Mantel“, also den kompletten redaktionellen Teil außer der Lokalberichterstattung, vom Münchner Merkur einkaufen. Laut Ippen ist an diesem Gerücht aber überhaupt nichts dran: „Das entstand in der Mittelbayerischen, als da Umstrukturierungen vorgenommen wurden“, so der Medienunternehmer zur taz.

Und noch ein anderes Gerücht wird in Regensburg gehandelt: Danach will Esser tatsächlich komplett aus dem Zeitungsgeschäft aussteigen und sich auch aus Mittelbayern verabschieden.