Kein Öl mehr ins Feuer

Koalition plant Entfernungspauschale und findet große Zustimmung. Nur die Union meckert

aus Berlin MATTHIAS URBACH

Die Debatte um den sozialen Ausgleich für die gestiegenen Benzinpreise hat eine überraschende Wende genommen. Mit dem Vorschlag, die Kilometerpauschale zu erhöhen und gleichzeitig in eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale umzuwandeln, zeichnet sich eine Lösung ab, mit der offenbar Sozialdemokraten wie Grüne leben könnten.

Eine Entfernungspauschale hatten die Regierungsparteien bereits im Koalitionsvertrag vereinbart. Die SPD verschleppte jedoch die Umsetzung mit dem Hinweis, dies sei zu teuer. Nach neuen Schätzungen des Finanzministeriums kostet die Umwandlung 520 Millionen Mark.

Im Gespräch ist nun eine Umwandlung plus eine Erhöhung der Pauschale auf 80 Pfennig pro gefahrenen Kilometer – dies würde rund 1,8 Milliarden Mark kosten. Auch eine stärkere Erhöhung ist noch denkbar. Offiziell ist nichts entschieden. Das Finanzministerium will die möglichen Alternativen noch bis Ende der Woche prüfen. Dazu gehören auch eine schlichte Erhöhung der Kilometerpauschale ohne Umwandlung, ökologisch begleitet durch eine Entlastung der Bahn über die Halbierung ihres Mehrwertsteuersatzes.Doch selbst Finanzminister Hans Eichel kann der Entfernungspauschale offenbar etwas abgewinnen.

Der Vorschlag stieß gestern auch andernorts auf gute Resonanz. Selbst der FDP-Finanzpolitiker Hermann Otto Solms lobte die Idee. Da entdeckt sogar der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) sein Herz für die Umwelt: Eine Entfernungspauschale wäre zwar teurer, sagte er, „hätte aber den Vorteil, dass sie zwingt, auf andere Verkehrsmittel umzusteigen“. Die Novellierung der Pauschale braucht die Zustimmung des Bundesrates. Bahnchef Hartmut Mehdorn reagierte gestern gar euphorisch auf den Vorschlag. Auch IG-Metall-Chef Klaus Zwickel begrüßte eine Entfernungspauschale.

Zwar würden die Grünen am liebsten die Pauschale für Fahrten zur Arbeit senken – bislang waren 40 bis 50 Pfennig im Gespräch. Für sie ist die alte Kilometerpauschale eine „Pendlerprämie“, weil sie einen direkten Anreiz bietet, ins Grüne zu ziehen und zu pendeln. Doch angesichts des Protestes gegen die Ökosteuer haben viele grüne Spitzenpolitiker Verständnis dafür, dass die SPD ein Zeichen setzen möchte. „Das ist sicherlich nicht grün pur“, sagte der Verkehrssprecher der grünen Fraktion, Albert Schmidt. „Die Hauptsache ist aber, alle kriegen künftig das gleiche für ihre Fahrten.“

Die Union kritisiert den Plan: Er gehe an den Nöten der Menschen vorbei, sagte CSU-Landesgruppenchef Michael Glos. Nicht ganz zu Unrecht, denn eine erhöhte Pauschale würde abhängig Beschäftigten mit wenig Einkommen kaum weiterhelfen. Da sie ohnehin geringe Steuersätze zahlen, können sie auch nicht so viel Fahrtkosten absetzen.

Einen positiven Randeffekt hätte die Entfernungspauschale in jedem Fall. Bei wenig steuerlichen Regelungen wird so viel betrogen wie bei der Kilometerpauschale. Viele, die ein Auto besitzen, aber in Wirklichkeit mit der Bahn fahren, setzen die Fahrten mit dem Auto ab. Künftig würden ehrliche Bahnfahrer endlich nicht mehr benachteiligt. Dies ist nebenbei laut Finanzministerium der Grund, warum die Umwandlung in eine verkehrsmittelunabhängige Pauschale so unerwartet billig kommt.