Eigens aufgeschrieben

■ Vermeintlich geschädigter Polizist verfasste Protokoll höchstselbst

Wäre er mittlerweile nicht des Amtes als Strafrichter enthoben, würde Ronald Schill diesen Prozess führen. In einem ersten Verfahren gegen Andreas B. im Mai vorigen Jahres hatte er diesen wegen einer Auseinandersetzung mit Polizeibeamten zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt und zwei ZuschauerInnen in Ordnungshaft nehmen lassen. Während Schill wegen dieser Inhaftierung zurzeit selber der Prozess gemacht wird, saß der damalige Angeklagte Andreas B. zusammen mit zwei weiteren Beschuldigten gestern erneut vor Gericht. Die drei sollen bei einem Aktionstag gegen die staatliche Drogenpolitik und rassistische Ressentiments im Schanzenviertel im Februar 1999 einen Landfriedensbruch begangen und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geleistet haben, sagt die Anklage.

Beim Aktionstag wurde die starke Präsenz der Polizei auf den Straßen des Schanzenviertels kritisiert. Wie um den Vorwurf zu belegen, begleiteten BeamtInnen der „Gruppe zur Präsenzverstärkung (P-Schicht)“ die Demonstration. Plötzlich meinten einzelne PolizistInnen, gefilmt worden zu sein, gingen zum Kamerateam und verlangten Personalien sowie die Herausgabe der Aufzeichnungen. Es entwickelte sich eine Diskussion, andere DemonstrantInnen traten hinzu, und dann will P-Schicht-Einsatzführer Thomas Dötter geschubst und festgehalten worden sein.

Das sagt Dötter selbst, und er ist der einzige, der ein Protokoll darüber gefertigt hat. Zwar waren sechs weitere Beamte vor Ort. Die aber haben ihre Beobachtungen nicht aufgeschrieben, sondern sie Dötter erzählt, der sie in seinem Bericht mitverarbeitet hat. Dieser gibt nicht zu erkennen, wer was genau beobachtet haben will. Die VerteidigerInnen beantragten deshalb, das Verfahren zu beenden, die Polizisten seien aufgrund der getroffenen Absprachen untaugliche Beweismittel. Auch die Richterin findet die Aktenführung der P-Schicht „in der Tat auffällig“. Den Antrag lehnt sie dennoch ab.

Die P-Schicht ist direkte Nachfolgerin der sogenannten „Einsatzschicht (E-Schicht)“ an der Revierwache 16. Die war 1994 aufgelöst worden, nachdem amnesty international den PolizistInnen Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen hatte.

Der Prozess wird fortgesetzt. ee