: Nicht früh genug aufgestanden
Im Damenhockey stimmen die alten Weisheiten nicht mehr. Den Deutschen droht nach dem 1:2 gegen China das frühe Aus
aus Sydney RONALD RENG
Auch das Aufstehen hatte Berti Rauth trainieren lassen. Bereits einen Tag vor dem Spiel gegen China wurden die deutschen Hockey-Spielerinnen um 5 Uhr morgens geweckt, um sich an das frühe Erwachen zu gewöhnen. Gestern war dann um 5.15 Uhr Frühgymnastik, um 8.30 Uhr Anstoß. Und um 8.32 Uhr „haben wir schon wieder gepennt“, berichtet Angreiferin Heike Lätzsch. Chinas sehr wache Mittelfeldantreiberin Wanfeng Zhou schoss das 1:0. Noch lange nach dem Spiel, das die Deutschen überraschend 1:2 verloren, wurde lange über Pennen und Schnarchen geredet. Die Frühaufgestandenen waren im Spiel „zu spät aufgewacht“, sagte Lätzsch. „Da war so eine Lethargie. Dein Nebenmann schreit: Komm, kämpf. Aber es ging nicht.“
Mit dem erwarteten Sieg über China hätten sich die Deutschen bereits für die Zwischenrunde der besten sechs qualifiziert, nun sind sie dem Ausscheiden genauso nah wie dem Weiterkommen. „Ich weiß gerade gar nicht, was los ist in unserer Gruppe“, sagt die Kölnerin Lätzsch und war damit nicht alleine.
Ziemlich alles an Prognosen und jahrelang bewährten Weisheiten ist im Frauen-Hockey durcheinander gekommen, was vor allem die Chinesinnen zu verantworten haben. „Die waren mit Südafrika eigentlich für das Ausscheiden vorgesehen“, sagt Lätzsch. Nun ist China, wo Spitzenhockey keine Tradition hat, nach Siegen über Europameister Holland und den EM-Zweiten Deutschland als einziges Team der Fünfergruppe bereits für die Zwischenrunde qualifiziert. „Vielleicht können wir noch mehr holländische und deutsche Trainer nach Asien schicken, dann nehmen wir uns den allerletzten Rest unseres Vorsprungs“, schlug Rauth vor, und es war nicht ganz klar, ob das nur sein berühmter Humor oder auch ein wenig bitterer Zynismus war. Auch dank europäischer Entwicklungshilfe hat sich China in den vergangenen zwei Jahren sprunghaft verbessert. Die Nationalspielerinnen trainieren als Profis das ganze Jahr zusammen, „in Gang-Ho oder wie das heißt“, glaubt Rauth.
Und Rauth bekam gleich wieder einen seiner wohl nie versiegenden Energieschübe. „Wir haben keine Riesenmannschaft, aber wir haben eine gute Mannschaft“, da lasse er nichts anderes gelten, „ob wir hier mit Riesendusel eine Medaille holen oder mit Gloria und Halleluja in der Vorrunde rausfliegen.“ Im Moment sieht es nach Durchschnitt aus. Die Spiele gegen Neuseeland (1:1) und Südafrika (2:1) waren ordentlich, der Auftritt gegen China war dürftig. Alles wird sich im letzten Gruppenspiel am Freitag gegen Holland entscheiden.
„Denise Klecker hat zu viele hohe Bälle aus der Abwehr gespielt, Nadine Ernsting-Krienke war zu schüchtern vor dem Tor“, fing Rauth an und hätte über die zentralen Mittelfeldspielerinnen Britta Becker und Fanny Rinne bis zu Stürmerin Natascha Keller die ganze Mannschaft kritisch durchgehen können. Erst gegen Ende hatte sich Qualität ins deutsche Spiel eingeschlichen, nachdem Inga Möller das 1:2 gelungen war. Rauth glaubte, er sei ein Börsenmakler: „Tiefsturz am Tagesbeginn, und am Ende sausen die Kurse.“ Aber sie konnten die anfänglichen Einbußen nicht mehr wett machen.
Nun also wieder das traditionell feurige Duell gegen Holland. „Da haben wir in den vergangenen Jahren nie ein wichtiges Spiel gewonnen“, teilte Rauth ausländischen Journalisten so nüchtern mit, als sei er Fernsehkommentator und nicht betroffener Trainer. Nur eine erfahrene Spielerin wie Lätzsch (26, 203 Länderspiele) erinnert sich noch an den letzten Triumph (2:1), bei der WM 1994. Berti Rauth fasst zusammen: „Wir haben am Freitag nichts zu verlieren, weil wir zuletzt immer verloren haben.“ Optimismus klingt anders.
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