taz-olympiakrimi: im schatten der ringe
: Kapitel 6: In dem die Diadochen ins Visier kommen

Gewichtiger Pound

Was bisher geschah: Nur kurz hat Samuel Kiwabaki seinen Bruder, das botswanische IOC-Mitglied Thomas Kiwabaki, überlebt. Während Chefermittler Wayne Bruce den Ermordeten identifiziert, entdeckt Kriminalassistentin Wade etwas in seinem Hotelzimmer.

„Walla“, sagte Catherine Wade in etwas holprigem Französisch und reichte Bruce ein auf ein Stück Pappe geklebtes Zettelpuzzle. „Diese Schnipsel lagen im Papierkorb.“ – „Haben Sie das etwa selbst zusammengesetzt?“ Die nach einem amüsementhaltigen Wochenende noch mächtig derangierte Polizistin schüttelte entsetzt den Kopf: „Wo denken Sie hin, das war Brian, und ich sage Ihnen, keine drei Minuten hat er gebraucht.“ Brian war der 8-jährige Sohn der Wades. „Darf ich dem entnehmen, dass Brian mit bei der Durchsuchung war.“ – „Natürlich war er, was hätte ich den mit den Kindern machen sollen?“ – „Die anderen beiden waren auch dabei?“ – „Klar, zu Hause konnte ich sie nicht lassen. Pat fühlte sich nicht gut.“ Wayne Bruce verdrehte die Augen. „Ich kann mir lebhaft vorstellen, dass sich Pat nicht gut fühlte.“ – „Genau genommen hat sogar Cathy die Schnipsel gefunden“, verkündete Catherine Wade stolz. Das wunderte Bruce nicht. Cathy war vier und mächtig auf Draht. „Na gut, man kann nicht früh genug mit der Nachwuchsarbeit anfangen“, sagte er resigniert und wandte sich dem Zettel zu.

„Sehe Sie am Morgen, D.P.“ war da zu lesen. Den Hauptkommissar durchschoss ein Adrenalinschub. Dick Pound war sein erster Gedanke. Der kanadische Vizepräsident des IOC, der ungefähr zehn Zentimeter gewachsen war, seit er für den entschwundenen Samaranch den IOC-Präsidenten spielen durfte. Der Alte hatte ja diesmal ein Alibi. Er war nach Barcelona geflogen, nachdem seine Frau gestorben war, „praktisch bei der Eröffnungsfeier“, wie Inspektor Persini gewohnt pietätvoll gekräht hatte. Aber Samaranch, der nächstes Jahr abtreten würde, hatte er ohnehin nie wirklich verdächtigt.

Dafür rückten jetzt die Diadochen ins Visier, Pound, der selbst ernannte Saubermann mit dem notdürftig gezügelten Bullenbeißergesicht, Kevan Gosper, der machthungrige Australier. Am besten nahm er auch gleich die anderen Vizepräsidenten wie Anita de Frantz aus den USA und diesen Deutschen mit dem Schnauzbart, wie man ihn sonst nur beim Mardi Gras sah, unter die Lupe. Ein Verhör von Dick Pound kam nur aufgrund der Initialen natürlich nicht in Frage, der würde ihn zusammenfalten wie der russische Ringer Karelin seine Gegner. Aber Gosper würde er sich morgen endlich vornehmen, der hatte die Kiwabakis immerhin gut gekannt.

Auf dem Weg nach draußen traf Bruce unglücklicherweise Superintendent Brad Samuelson, der ihn mit resolutem Griff am Arm festhielt. „Wie sind die Ergebnisse?“, bellte der Chef. „Zwei tote Afrikaner in einer Woche, damit liegen wir knapp hinter Johannesburg und Nairobi auf dem Bronzeplatz.“ – „Lassen Sie die blöden Witze, ich habe gleich Pressekonferenz, und die Medien sind ganz wild über den Zwillingsmord, wie sie es nennen. Was soll ich sagen?“ – „Dass es keine Zwillinge waren“, entgegnete Bruce, riss sich los und flitzte zur Tür hinaus. „Der Bericht liegt auf Ihrem Schreibtisch“, rief er, als er sich in sicherer Entfernung wähnte.

Den Grund für seine Eile hatte er natürlich nicht verraten können. Er hatte Karten für das wer weiß wievielte Dream Team der USA ergattert und wollte nicht zu spät kommen. Die Kulisse im Dome war imposant, das Match dann aber eher enttäuschend, keine Galashow, sondern einfach nur ein Basketballspiel. Hinzu kam, dass er ein paar Spieler komischerweise gar nicht kannte. Wer war zum Beispiel der freche kleine Kerl mit der 14, der aussah wie ein Mitglied des Harlem Gospel Choir, oder diese 9 mit der Denzel-Washington-Frisur? Als er herausfand, dass es sich um die behaarten Varianten von Gary Payton und Vince Carter handelte, war er ein wenig versöhnt, beschloss aber trotzdem, sich an einem der nächsten Tage mal in aller Ruhe den Imax-Film über Michael Jordan anzuschauen.

Ruhe? Als er nach Hause kam, wartete eine dicke Überraschung auf ihn. MATTI LIESKE

Fortsetzung folgt