Wird die Novelle zurückgehalten?

Verdacht: Ein besserer Strahlenschutz lässt nur auf sich warten, weil man erst Schacht Konrad genehmigen will

HANNOVER taz ■ Die Bürgerinitiaven an den Endlagerstandorten Gorleben und Schacht Konrad machen wieder mobil – aus guten Gründen. So gibt es einen aktuellen Anlass, wenn die BI Lüchow-Dannenberg am Samstag in Gorleben mit Unterstützung der großen Umweltverbände demonstriert: Der Energiekonzern Eon hat beantragt, abgebrannte Brennelemente aus dem AKW Stade in das Zwischenlager Gorleben bringen zu dürfen.

Die Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad meldete sich schon gestern vor dem Umweltministerium in Hannover zu Wort und forderte den Chef des Hauses, Wolfgang Jüttner, auf, das Endlager Konrad nicht zu genehmigen. Denn bei der ausgedienten Eisenerzgrube in Salzgitter, die für schwach Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle vorgesehen ist, deutet sich ein Skandal an: Offenbar darf die neue Strahlenschutzverordnung nicht in Kraft treten, bis das Endlager genehmigt ist.

Die Sprecherin des Ministeriums, Jutta Kremer-Heye, bestätigte gestern, dass man ihrer Behörde mitgeteilt habe, der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Rainer Baake, habe mehrfach zugesichert, die novellierte Strahlenschutzverordnung erst nach dem abgeschlossenen Planfeststellungsverfahren für Schacht Konrad in Kraft treten zu lassen.

Auf weitere Nachfragen bestätigte sie außerdem, dass es etwa drei Jahre dauern würde, den weitgehend fertigen Planfeststellungsbeschluss anhand der Vorgaben einer neuen Strahlenschutzverordnung noch einmal zu überarbeiten.

Das Bundesumweltministerium dementierte gestern zwar, dass die neue Strahlenschutzverordnung mit Blick auf das Konrad-Verfahren auf Eis gelegt worden ist. „Zwischen beiden Vorgängen gibt es keinerlei Zusammenhang“, sagte Sprecher Michael Schroeren. Die Äußerungen von Baake seien lediglich von Personen kolportiert worden, die bei den Konsensverhandlungen gar nicht dabei gewesen seien.

Sinn würde ein solches Verhalten dennoch ergeben: Mit dem Abschluss des Konrad-Verfahrens, von dem in dem Atomkonsens zwischen Bundesregierung und AKW-Betreibern die Rede ist, war immer eine Genehmigung des Endlagers gemeint – und die ist mit einer novellierten Strahlenschutzverordnung zumindest nicht schnell zu haben.

Gewerkschafter, Landwirte und andere Mitglieder der AG Schacht Konrad wiesen gestern allerdings darauf hin, dass bereits der vorliegende Entwurf der neuen Verordnung eine Neubewertung der Konrad-Genehmigung notwendig mache. Außerdem strebe die Bundesregierung schließlich ein neues Endlagerkonzept mit nur einem Lager für alle Arten radioaktiver Abfälle an. Viele aktuelle Ereignisse der letzten Zeit, wie etwa die Außenkontaminationen an Atommüllbehältern, hätten in dem Verfahren überhaupt keine Rolle gespielt.

Nach Auffassung der Arbeitsgemeinschaft hat das niedersächsische Umweltministerium genug Gründe, dem Endlager die Genehmigung zu verweigern. Der Sprecher der AG schätzte jedoch, die wechselseitigen Vorwürfe sollten lediglich das Zusammenspiel des Berliner und des Hannoveraner Ministeriums überdecken, die der Vorgabe der Atomkonsensrunde folgen wollten – und die heißt: erst Schacht Konrad, dann die Strahlenschutznovelle. JÜRGEN VOGES