Chaoten und Quoten

■ Seit 20 Jahren macht Radio Bremen das Unmögliche möglich: „buten & binnen“, das tägliche Magazin aus und über Bremen, Bremerhaven und umzu feiert heute Geburtstag

Bildungssenator Horst-Werner Franke (SPD) lässt einen derartigen Wortschwall auf den Moderator los, dass der keine Frage stellen kann und entnervt aus dem Studio verschwindet. Finanzsenator Claus Grobecker (SPD) beantwortet eine ganze Flut von Fragen buchstäblich nur einsilbig und treibt damit den Interviewer zur Verzweiflung. Solche Politikertypen gibt es in Bremen nicht mehr. Sie sind längst im Ruhestand. Doch „buten & binnen“, den einstigen Kampfplatz für Schlachtrösser der Bremer Sozialdemokratie sowie für bunt und krawattenlos gekleidete JournalistInnen, gibt es immer noch. Das TV-Regionalmagazin feiert heute Geburtstag und ist noch mit jedem Gegner fertig geworden. Und mancher von ihnen hat sich – wie Franke – sogar als Freund entpuppt.

Seit zwanzig Jahren macht „buten & binnen“ (zu deutsch etwa „draußen und drinnen“ oder kurz BuBi) möglich, was normale Menschen um 1980 für unmöglich gehalten haben: täglich eine halbstündige Sendung über eine Stadt wie Bremen zu produzieren. Und über Bremerhaven plus Umland natürlich auch – damit nicht wieder Gemecker kommt. So wie damals, als der auch mal unfreundliche Moderator Michael Geyer bei Lieschen Müller, also der normalen BuBi-Seherin von nebenan, nicht mehr gut ankam.

Moderatoren wie Geyer sind übrigens genauso vom Bildschirm verschwunden wie Politikertypen à la Franke und Grobecker von der Bremer Bühne. Die lieben KollegInnen Andreas Hoetzel, Brigitta Nickelsen, Wolfgang Lintl oder Michaela Herold servieren Bremens Berichte vom Tage zumindest in simulierter guter Laune. Vom Euphorie-Kleber von Radiosendern wie NDR 2 oder Wir von hier sind sie aber zum Glück weit entfernt.

Zurzeit wird in den öffentlich-rechtlichen Anstalten allen Ernstes darüber diskutiert, dass Magazine nicht nur für LeserInnen der Süddeutschen Zeitung, sondern auch für Bild-LeserInnen verständlich sein müssen. Dieser Pseudo-Spagat scheint für BuBi kein Problem gewesen zu sein – die Redaktion wurde mit Preisen überschüttet und macht(e) zugleich Traumquoten. Die mitunter frech ins alltägliche Leben übersetzte Meldung ist eine Innovation aus Bremen. Und sie ist nicht die einzige. Natürlich gab es in zwanzig Jahren Berichte, die so flach waren wie die norddeutsche Tiefebene, aber davon ist kein Medium frei. Manche BeobachterInnen kritisieren seit einiger Zeit einen Hang zur Banalisierung. Doch ein Blick ins Archiv zeigt, wie langweilig heute erscheint, was früher mal als spannend oder auch schon als langweilig galt. Die Frechen unter den Medien haben es schnell mit NostalgikerInnen und Verklärung zu tun. Denn ein zweiter Blick auf „DAS“ oder „Hallo Niedersachsen“ zeigt, was dieses Sendegebiet an BuBi hat, auch wenn ein bisschen mehr Frechheit der Sendung gut täte.

BuBi hat sich in all den Jahren weiter entwickelt. Und Mutter Radio Bremen konnte sich bislang erfolgreich gegen die Übermutter ARD wehren, die BuBi wegen der Harmonisierung des Vorabendprogramms ins Dritte verbannen wollte. BuBi hatte Wettermänner schon vor Kachelmann und eine ausreichende Zahl von Perlen, die diese Sendung unverwechselbar und unverzichtbar machen. Die taz gratuliert ganz heftig. ck

Zum Geburtstag gibt es heute, Freitag, um 18.50 Uhr im Ersten eine einstündige Geburtstagssendung mit Gästen aus aller Welt. Aus Anlass der Feierlichkeiten hat Radio Bremen das BuBi-Archiv im Internet jetzt erweitert: Unter www.radiobremen.de gibt es Filme und Nachrichtenmeldungen sowie eine Auswahl von Beiträgen aus zwei Jahrzehnten BuBi