taz-olympiakrimi: im schatten der ringe
: Kapitel 7: In dem eine Matchbox gereicht wird

Eine heiße Spur?

Was bisher geschah: Nach den professionellen Auftragsmorden am botswanischen IOC-Mitglied Thomas Kiwabaki und seinem Bruder Samuel konzentriert sich der Verdacht von Chefermittler Wayne Bruce zunehmend auf die potenziellen Nachfolger des IOC-Präsidenten Juan Antonio Samaranch. Als der Hauptkommissar abends nach Hause kommt, wartet dort eine Überraschung auf ihn.

Kein Geringerer als Dick Pound hatte auf seinen Anrufbeantworter gesprochen. „Kommen Sie morgen früh um acht in die Lobby des Regent’s Hotel“ sagte die sonore Stimme des IOC-Vizepräsidenten, „ich habe etwas, das sie interessieren könnte.“ Der Mörder kehrt an den Ort der Tat zurück, dachte Bruce grimmig, denn schließlich war Thomas Kiwabaki ja just in der Lobby des Regent’s gefunden worden. Andererseits war Pounds Anwesenheit in dem Hotel nicht übermäßig verwunderlich, schließlich wohnte er dort. In jedem Fall war es an der Zeit, sich ein wenig mehr mit der Intrigenstruktur des IOC zu befassen. Zum Glück glänzten die Buchläden in der City derzeit durch olympische Subversivität und hatten alle das neueste Buch des schärfsten IOC-Kritikers Andrew Jennings, „The Great Olympic Swindle“, in vorderster Front ins Schaufenster gestellt. Bisher war es Wayne Bruce zu teuer gewesen, aber nun musste das Police Department von New South Wales dafür bluten.

Den restlichen Abend verbrachte der von den Wirren des Tages erschöpfte Kommissar mit olympischen Betrachtungen vor dem Fernseher. Unseligerweise wurde nach dem obligatorischen Schwimmen ausgiebig Schießen übertragen, weil da die Australier gut waren.

Bruce hasste den Schießsport noch mehr als dieses komische Taekwondo, das nur Koreaner konnten. Besonders auf den Wecker gingen ihm die Ohrenschützer, die von den Flintenheinis getragen wurden. Da stolzierten sie mit geschulterter Knarre und coolem Blick umher wie John Wayne persönlich – nach dem ihn seine Eltern peinlicherweise benannt hatten – und dann diese knubbeligen Geräte auf den Lauschern, mit denen sie wie Mickymäuse aussahen. Man stelle sich bloß vor: Wyatt Earp und Konsorten ballern in Tombstone den Gunfight am O.K. Corral aus, und alle tragen Ohrenschützer.

Am Morgen fand er sich pünktlich im Regent’s ein, und Dick Pound wartete schon auf ihn. Der Kanadier musterte ihn einen Augenblick, als wollte er ihn fressen. Offenbar war es seine Gewohnheit, jede neue Bekanntschaft sofort danach einzuschätzen, ob sie eventuell einen halbwegs gleichwertigen Gegner für ihn abgeben könnte. Dann lächelte er, so gut er es vermochte, und drückte ihm eine kleine Streichholzschachtel in die Hand. „Ich habe nicht viel Zeit“, sagte Pound, „der Alte ist wieder da. Das hier hat Samuel Kiwabaki im Hotelcafé liegen lassen, als ich ihn kürzlich zum Lunch eingeladen hatte.“ – „Was hatten Sie mit Samuel Kiwabaki zu tun?“, fragte Bruce hastig, weil der IOC-Vize sich bereits zum Gehen wandte. „Ich wollte ihn fragen, ob er nicht der Nachfolger seines Bruders im IOC werden wollte“, antwortete Pound mit jener kontrollierten Offenheit, die ihn gelegentlich auszeichnete. „Ich dachte, IOC-Mitglieder werden neuerdings gewählt.“ Pound schmunzelte. „Nun, vorschlagen muss sie immer noch jemand und sich für sie einsetzen auch.“ So viel zur neuen Demokratie im IOC, dachte Bruce, und schickte dem davoneilenden Kanadier noch eine letzte Frage hinterher. „Kannten Sie die Kiwabakis gut.“ – „Nur sehr flüchtig“, schallte es zurück, dann war er auch schon wieder verschwunden.

Wayne Bruce stand eine Weile bedeppert in der Lobby wie ein deutscher Schwimmer nach dem Semifinale und starrte auf die Streichholzschachtel. „Le Kilimanjaro“, war darauf zu lesen, was ihm vage bekannt vorkam. Darunter stand „Afrikanisches Restaurant“, doch seltsamerweise keine Adresse. Er würde ins Revier gehen und Kriminalassistentin Catherine Wade fragen, Spezialistin für Nachtaktivitäten aller Art. Aber er hatte das untrügliche Gefühl, auf eine verdammt heiße Spur gestoßen zu sein. Gestoßen worden zu sein, besser gesagt. Und das gab ihm zu denken.

MATTI LIESKE

Fortsetzung folgt