: Bleifüße gegen Bobbycars
Autofreier Tag in Hamburg: Nur geringe Resonanz bei Autofahrern. Straßenfeste waren aber gut besucht ■ Von Sven-Michael Veit
Man dürfe sich nicht entmutigen lassen, findet Alexander Porschke. Der erste Autofreie Tag in Hamburg habe schließlich „in einem kontroversen Raum“ stattgefunden, konstatierte der grüne Umweltsenator, der gestern selbst ins Zentrum der Kontroverse gerückt worden war. In ihrer unnachahmlichen Art hatte die Bild-„Zeitung“ ihren Lesern mit der Schlagzeile „Der Stauminator“ und dem Bild eines demagogisch blickenden Porschke den Schuldigen am Autofreien Tag präsentiert: „Ihm haben Sie es zu verdanken, wenn Sie heute im Verkehr stecken bleiben“.
Der Senator nahms äußerlich gelassen: „Endlich kann man sich mal verständigen, ohne zu brüllen“, befand er. Es herrsche „eine wunderbare Stimmung“ in der Stadt. Zumindest in den autofreien Zonen, doch davon gab es gar so viele nicht.
An etwa 50 abgesperrten Orten in der ganzen Stadt eroberten sich vorwiegend Kinder die Straße für ein paar Stunden. Auf dem halbseitig gesperrten Jungfernstieg pendelte eine kleine solarbetriebene Straßenbahn, deren Schienen auf dem Asphalt verlegt worden waren, gleich nebenan errichtete der BUND ein minder oder mehr gemütliches Wohnzimmer – und drumherum brauste der Verkehr wie gewohnt.
Denn die Resonanz blieb dürftig, nur wenige HamburgerInnen verzichteten gestern aufs Autofahren. So gab es wie immer zeitweilig Staus und stockenden Verkehr in der Hansestadt. Auch die Polizei sprach von einem „Verkehrstag wie an jedem Freitag“. Die zahlreichen Veranstaltungen auf den Straßen hätten nicht zu Behinderungen geführt.
In den Bussen und U-Bahnen stieg die Zahl der Fahrgäste nach Angaben des Hamburger Verkehrsverbunds nicht an. Selbst das Angebot des HVV, eine gestern gekaufte Tages- oder Gruppenkarte auch heute benutzen zu dürfen, stieß bei den hansestädtischen Bleifüßen auf Desinteresse.
Der von der EU-Kommission ausgerufene Autofreie Tag fand in diesem Jahr erstmals auch in Hamburg statt. Europaweit beteiligten sich etwa 800 Städte in 24 Ländern an dieser Aktion, in Deutschland waren es 170. In Lübeck gab es eine große Fahrrad-Sternfahrt in die his-torische Innenstadt, in Norderstedt und Rendsburg fuhren Busse und Bahnen zum Nulltarif.
In Hamburg endete der Autofreie Tag gestern Abend mit einer Roll-Demo durch die Stadt. Auf einem 15 Kilometer langen Rundkurs vom Jungfernstieg über St. Pauli, Altona-Nord, Eimsbüttel, Eppendorf und das Univiertel zurück zur Binnenalster demonstrierten etliche Tausend HamburgerInnen auf Rädern und Inlineskates für „ein gleichberechtigtes Nebeneinander aller alternativen Verkehrsmittel“.
Weitere Berichte zum Autofreien Tag: Seiten 24 und 30
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