Profillose Angelegenheit

■ Philharmonisches Staatsorchester enttäuschte mit Wagner-Abend

Es ist ein offenes Geheimnis, dass das Verhältnis zwischen Musikfest und dem Philharmonischen Staatsorchester nicht eben eine tiefe Liebe ist. Der künstlerische Leiter des Musikfestes Thomas Albert will eigentlich nicht, dass die bremische Truppe hier Heimspiele macht. Die Philharmoniker hingegen beanspruchen nicht ganz zu Unrecht, beim Musikfest eine Rolle spielen zu wollen.

Die Kulturpolitiker haben nachgedrückt und den Auftritt so durchgesetzt. Umso mehr verwundert es, dass das Philharmonische Staatsorchester nun mit einem Programm vertreten ist, bei dem man sich eigentlich zweimal die Augen reiben muss, wenn man es nur liest. Ein Abend mit Ouvertüren und Arien von Richard Wagner? So kann doch Profilierung nicht passieren, und schon mal gar nicht mit einem Kapellmeisterdirigenten wie Ralf Weikert es ist – oder zumindest an diesem Abend war. Auf wessen Mist dieses Programm entstanden ist, entzieht sich meiner Kenntnis.

Genug gemeckert, denn im Publikum war Begeisterung zu hören: Endlich hören wir mal richtig Wagner! Riesig ins Zeug legten sich alle und es kam zuallererst alles Tschingderassabum heraus, was Wagner eben auch so hat – in der Ouvertüre zu Jugendwerk „Rienzi“, von Wagner selbst in späteren Jahren als „Ungetüm“ bezeichnet, im Vorspiel zum dritten Akt von „Lohengrin“. Ralf Weikert begnügte sich gelegentlich mit einer Haltung, als stände er einer dörflichen Blaskapelle vor und hielt reichlich nach den wichtigen Damen und Herren in der ersten Reihe Ausschau.

Verantwortlich für diese Oberflächlichkeit war vor allem der eklatante Mangel an Pianotönen, ein unstruktureller Kraftdruck, mit dem man nichts auf- und abbauen konnte. Es war leider an diesem Abend wenig zu hören, wie viel dieses Orchester leisten kann an übergreifenden Bögen und Dispositionen, an Klangkultur in jeder Stimmgruppe.

Die große Hildegard Behrens war krank und es kam die dänische Sopranistin Eva Johansson. Schon in der Pressekonferenz hatte sie glaubhaft erzählt, was Stimmentwicklung und Stimmschonung ist: Ihre Stimme sitzt hervorragend, und dass sie ohne Forcierung organisch ins große dramatische Fach hineingewachsen ist, hört man ihr an. Wie heikel die Pianokultur von solchen Stimmen sein kann, war auch zu hören. Besonders am Anfang drückte sie jeden zweiten Pianoton schnell ins Forte, im zweiten Teil dann nicht mehr. Was sie besonders gut vermitteln konnte, was ein sozusagen szenischer Anteil, die jugendlich-schwärmerischen Frauen Elsa (aus Lohengrin), Senta (aus Der fliegende Holländer) und Elisabeth (aus Tannhäuser) gelangen ihr mitreißend. Mit ihrer Traumrolle Isolde wird sie 2002 in Bonn zum ersten Mal auf der Bühne stehen. In der Glocke gab es eine Kostprobe mit Isoldes Liebestod.

Johansson hatte es schwer, gegen die Mezzofortefluten des Orchesters einigermaßen berückende Pianos zu singen – Wagners Partitur ist ohne Ende voll von diesen Forderungen: immer sehr ruhig, sehr zart, dolce, pianissimo, verhalten. Trotzdem gelang ihr eine charismatische Steigerung, die ihr als Wagner- und Strauss-Sängerin noch eine große Zukunft verheißt. Der Jubel wollte kein Ende nehmen. Ute Schalz-Laurenze

Heute Abend spielt das Merlin Ensemble Wien in der Oberen Rathaushalle Strawinskys „Die Geschichte des Soldaten“.