Internet und sozial Schwache
: Surfen in der Kirche

■ Internationale Internet-Tagung: „Sprungbretter in die Digitale Welt“

Wenn 70 Fachleute im „Universum Science Center“ drei Tage lang über die „Digitale Spaltung“ diskutieren, so hat das nichts mit Weltraumforschung oder Atomkernen zu tun. Es geht um GewinnerInnen und VerliererInnen der Informationsgesellschaft und darum, wie sich die bestehende Kluft zwischen ihnen verringern lässt. Gerade Frauen, Ältere und Menschen mit einem niedrigen Bildungsstand sind nicht nur in Deutschland immer noch unterrepräsentiert in der Gemeinschaft der Internet-NutzerInnen.

„Internet für alle“, das hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder am 18. September als Politikziel verkündet. So was ist schnell gesagt, doch lange noch nicht getan. Bisher hat sich die Bundesregierung in ihren Internet-Programmen auf die Ausrüs-tung der Schulen mit Hardware konzentriert. „Unser Problem sind aber die 90 Prozent, die nicht zur Schule gehen“, betonte Herbert Kubicek, Informatik-Professor und Initiator der Konferenz.

Der Professor arbeitet gemeinsam mit Unternehmen aus der Technologie-Branche an dem Netzwerk „Digital Divide Network“, das helfen soll, die „Digitale Spaltung“ in Deutschland zu überwinden. Das Vorbild für die Initiative kommt aus den USA: Dort finanzieren Unternehmen und Staat gemeinsam Technologiezentren (CTCs), die schwerpunktmäßig in sozial schwachen Gebieten angesiedelt sind. In denen können Menschen kostenlos – und bei Bedarf betreut – im Internet surfen. Die Zentren sind in Bibliotheken, Schulen oder Kirchen angesiedelt und bieten spezielle Programme für SeniorInnen und Minoritäten an. Das Besondere an den CTCs: Die Idee für ihre Gründung kam von den Menschen vor Ort – erst als sich das Konzept bewährt hatte, kam Unterstützung aus der Politik. Weiterhin ist ehrenamtliche Arbeit die Regel in den inzwischen rund 1.500 Technologiezentren.

Ulrich Sandl aus dem Stab des Bundeswirtschaftsministeriums zeigte sich „beeindruckt“ darüber, „was in den USA geschieht.“ So ähnlich soll das Ganze auch mal in Deutschland aussehen. Bis es so weit ist, kann es allerdings noch dauern. Zuerst sollen nämlich „verlässliche Daten“ gesammelt werden in Bezug auf Nutzerstruktur und Internet-Verbreitung. „Was interessiert Frauen, Alleinerziehende, Arbeitslose, Türken? An welchen Plätzen erreicht man sie?“ Das seien die zu klärenden Fragen, bevor irgendwo Computer aufgestellt werden könnten, betonte Kubicek. Robert Pastel von der Europäischen Kommission sieht das anders: „Man kann auch Handeln und gleichzeitig weiteranalysieren“, kritisierte er den deutschen Weg des „erst analysieren, dann starten“. Außerdem: Das Problem sei schließlich schon erkannt. AOL Amerika-Vertreter Keith Fulton verteidigte die Vorgehensweise der Deutschen: „Eure Gegner können euch vernichten, wenn Ihr keine stützenden Daten habt.“ Dennoch: Die US-Amerikanerin Holly Carter, die das Konzept der Technologiezentren vorstellte, machte deutlich: „Wir haben einfach angefangen. Jetzt wird analysiert.“ vv