Nur noch Chinapfannen

Das 5. schwul-lesbische Herbst-Straßenfest in Charlottenburg war das letzte: Der Veranstalter vermisste soziales Engagement und führt zu hohe Kosten ins Feld. Schwule fühlen sich von der Kommerzialisierung an den Rand gedrängt

Das traditionelle schwul-lesbische Herbstfest in Charlottenburg wurde am Wochenende zum fünften und letzten Mal gefeiert. Trotz Besucherzahlen von 15.000 im letzten Jahr wird es nach Aussagen des Veranstalters Ralf Austel „kein nächstes Mal geben.“ Das Herbstfest in der Fasanen- und Kantstraße gegenüber vom Theater des Westens war das erste Berlins und Vorreiter für Veranstaltungenin Friedrichshain, Prenzlauer Berg und Schöneberg.

„Es wurden uns mehr und mehr Steine in den Weg gelegt“, beklag sich Austel. Sowohl die Deutsche Bahn als auch das anliegende Kaphag-Hochhaus haben Flächen nicht mehr kostenlos zur Verfügung gestellt. Hinzu kamen höhere Gebühren und strengere Auflagen des Gesundheitsamtes. Wirtschaftlich sei durch das Fest ohnehin kein Gewinn zu machen. „Der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum erhofften Ergebnis“, begründet Austel seine Entscheidung. „Wir wollten hier eine Alternative zu Chinapfannen und Kinderkarussells bieten.“

Durch die Präsenz schwuler Initiativen sollte dem Fest eine informative Funktion gegeben werden. Doch diese seien in den letzten Jahren mehr und mehr abgesprungen.

„Die guten Plätze haben die Kommerziellen“, erklärt sich Gerald Strecker von „Sub/Way“, einem Projekt für Jungs, die anschaffen, das mangelnde Engagement. Sein Stand ist, wie die anderer Sozialprojekte, abseits vom Bühnengeschehen, auf dem Parkstreifen in der nicht gesperrten Fasanenstraße platziert. Nahe der Bühne haben Antikmärkte, Sonnenbrillenverkäufer und Reiseveranstalter ihre Stände. „Die Veranstalter werben mit sozialem Engagement, aber finanzielle Zugeständnisse machen sie keine“, sagt Strecker. Im letzten Jahr habe er gerade mal 100 Mark eingenommen und ein paar Gespräche geführt.

„Die Veranstalter dürfen sich nicht wundern, wenn die Sozialprojekte abspringen“, sagt Dieter Telge vom Landesverband der Berliner Aids-Selbsthilfegruppe. Die zunehmende Kommerzialisierung drücke soziale Projekte mehr und mehr weg. „Mit Infoständen kann man nicht mehr viel ausrichten“, sagt Telge.

Auf dem großen schwul-lesbischen Sommerfest in der Motzstraße durften die Initiativen noch nicht einmal Spenden sammeln. Dem Café Positiv, das mit Kaffee umsonst zu Gesprächen einlud, wurde der Ausschank verboten. Am Dienstag sollen Gastronomen und Sozialprojekte an einen Tisch kommen, um über die Zukunft des Motzstraßenfestes zu beraten. Telge: „Vielleicht klärt man dann mal, was man eigentlich mit solchen Festen bezwecken will.“

INGRID GEGNER