STAATSMINISTER ZÖPEL UND EIN INTERVIEW IN DER „JUNGEN FREIHEIT“
: Der Unglücksrabe

Zu jeder Regierung gehören Unglücksraben. Gemeinhin sind es solche Menschen, die das Beste wollen, aber zum falschen Zeitpunkt das Richtige oder das Richtige am falschen Ort bekannt geben. Solch einer scheint Christoph Zöpel, der Staatsminister im Auswärtigen Amt, zu sein. Ausgerechnet der Jungen Freiheit, jener Wochenzeitung, die in seinem Heimatland Nordrhein-Westfalen regelmäßig in den Berichten des Verfassungsschutzes erwähnt wird, hat der Sozialdemokrat ein Interview gegeben. Ob er wusste, dass es sich dabei um ein Blatt aus der – gelinde gesagt – rechten Ecke handelt, oder ob er vom Interviewer im Unklaren gelassen wurde, ist fast schon unerheblich. In beiden Fällen nämlich müsste sich Zöpel den Vorwurf der Unprofessionalität gefallen lassen.

Wer das Interview mit Zöpel nachliest, wird an keiner Stelle einen Anhaltspunkt dafür finden, dass er in irgendeiner Weise mit den Wertvorstellungen des Blattes sympathisiert. Ja, wo immer der Interviewer ihn mit Provokationen zu reizen versucht, pariert er gekonnt. Zöpel ist, das wird auch in diesem Interview deutlich, ein überzeugter Europäer und ein überzeugter Föderalist. Seine Äußerungen, wie auch immer sie in die Junge Freiheit kamen, werden den Staatsminister beschädigen.

Schon jetzt ist Zöpels Ruf nicht der allerbeste: Weil er oft sagt, was er denkt, hat er sein Haus in den letzten Monaten ein ums andere Mal in Aufregung versetzt. Jüngst hat er auf Vorhaltungen, die seinen Charakter betreffen, mit der selbstironischen Bemerkung geantwortet: „Vorsicht. Zöpel wird undiplomatisch.“ Außenminister Joschka Fischer, ebenfalls ein Nichtdiplomat (der allerdings in kurzer Zeit Tonfall und Vokabular seines Amtes erlernt hat), nahm die Kritik seines Hauses ernst und strich den Handlungsspielraum seines Staatsministers im Sommer zusammen. Nach interner Kritik enthob er Zöpel von der Verantwortung, ihn zu den EU-Ministerratstreffen zu begleiten, und übergab diese Funktion einem Staatssekretär.

Es bleibt abzuwarten, welche Konsequenzen das Auswärtige Amt aus dem Interview zieht. Noch spannender dürfte Zöpels Haltung selbst sein. Für Überraschungen war er schon immer gut. Sein SPD-Landesverband kann davon ein Lied singen: 1990 verzichtete Zöpel im Streit mit dem damaligen Ministerpräsidenten Rau auf Ministeramt und Landtagsmandat. 1994 überwarf er sich im Bundestagswahlkampf mit Scharping. Und 1995 trat er als stellvertretender SPD-Landeschef und aus dem Bundesvorstand zurück. SEVERIN WEILAND