Länder hadern mit der Bahn AG

Das Unternehmen entlastet den Fernverkehr auf Kosten länderfinanzierten Nahverkehrs. Der soll dafür sparen

BERLIN taz ■ Deutsche Bahn AG und Bundesländer stecken in einer Beziehungskrise. Im Auftrag seiner Amtskollegen hat der rheinland-pfälzische Verkehrsminister Hans-Artur Bauckhage (FDP) einen Bericht erarbeitet, der mit „Diskriminierungen und Quersubventionen im Eisenbahnbereich“ überschrieben ist.

Auf 30 Seiten haben seine Beamten nicht nur zusammengetragen, wie die DB AG ihre Konkurrenten von den Schienen fern hält. Offensichtlich ist auch eine Quersubvention des Fernverkehrs zu Lasten des von den Ländern finanzierten Nahverkehrs. Daraus leitet Bauckhage die Forderung ab: „Herauslösung der DB Netz AG aus der Holding“. Offenbar gibt es in den Landeshauptstädten eine breite Zustimmung. Bahnchef Hartmut Mehdorn bemüht sich seit Wochen, die Debatte über eine Trennung des Schienennetzes von der DB Holding abzuwehren.

Über 60 Prozent der Kosten für das Schienennetz trägt nach Schätzung von Bahnexperten der Nahverkehr – obwohl die hierdurch verursachten Kosten vergleichsweise niedrig sind. Zwar gibt es bei Trassen, die zugleich vom Nah-, Fern- und Güterverkehr genutzt werden, keine klaren wissenschaftlichen Kriterien, wie die Finanzierung gerecht aufzuteilen ist. Doch fest steht, dass der Nahverkehr nicht nur für technische Anlagen mitbezahlen muss, die er gar nicht nutzt. Auch für den Fahrwegverschleiß werden die Besteller von langsameren und oft leichteren Zügen wesentlich stärker belastet, als es ihrer Verantwortung entspricht, monieren die rheinland-pfälzischen Ministerialen. Beim Nahverkehr müsse mehr als jede vierte Mark an die Netz AG überwiesen werden, während es bei Fernzügen nicht einmal jede fünfte Mark sei.

Zwar hat Bahnchef Mehdorn angekündigt, dass Konkurrenten künftig den gleichen Trassentarif bekommen sollen wie die DB Regio – bisher gewährte die DB Netz ihrem Schwesterunternehmen satte Rabatte. Doch die Diskriminierung der Konkurrenz findet nach Einschätzung der Länderminister nicht allein auf finanzieller Ebene statt, sondern auch, wenn es um notwendige Informationen geht.

Außerdem gibt es immer wieder Vermutungen, dass Trassenpreisanfragen von Konkurrenten innerhalb der DB Holding weitergeleitet werden, so dass die DB Regio frühzeitig Bescheid weiß. Schreibt ein Land eine Verkehrsdienstleistung aus und entscheidet sich gegen die DB AG, muss es mit der Rache des Fast-Monopolisten rechnen. In Rheinland-Pfalz ordnete die DB Netz in einem Fall die Strecke prompt in eine höhere Trassenpreiskategorie ein. „Auch wenn sich die Preiserhöhung objektiv begründen ließe, so bliebe doch der Zeitpunkt sehr suspekt“, heißt es in dem Bericht.

Noch an anderer Stelle knirscht es zur Zeit im Verhältnis der Länder zur DB AG: Die für den Fernverkehr zuständige Reise & Touristik AG will den leicht defizitären Interregio abschaffen. Eine entsprechende Verkehrsleistung sollen die Länder nach ihrer Vorstellung künftig unter dem Titel IRE bei der DB Regio bestellen. Die Kosten könnten sie ja durch den Verzicht auf so genannte „Geisterzüge“ wieder einsparen, so die Vorstellung in der DB-Chefetage. Dieser Plan nimmt den Verlust von etwa 7 Prozent Zugleistung im Regionalverkehr in Kauf, hat der Verkehrsclub Deutschland (VCD) ausgerechnet. Zusätzlich würden viele Langstreckenverbindungen zerschlagen.

ANNETTE JENSEN