Ein gutes Herz ist nicht genug

Der Vorwurf an IWF und Weltbank: Sie haben nach Meinung von NGO-Vertretern Diktaturen unterstützt, Korruption toleriert und die Armut erst erzeugt

aus Prag ULRIKE BRAUN

Jetzt ist es raus: Horst Köhler hat ein Herz, und James Wolfensohn geht morgens gern zur Arbeit. Das versicherten die Chefs von IWF und Weltbank am Samstag den rund 300 Gästen, die Tschechiens Präsident Václav Havel zu einer Podiumsdiskussion eingeladen hatte. Motto: „Praga – dialogi locus“, Prag – Ort des Dialogs.

Verständigen sollten sich dabei unter der Leitung der UNO-Kommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, Vertreter verschiedener Antiglobalisierungsorganisationen mit Vertretern von IFW und Weltbank. In den etwa 80 Minuten, die der Diskussion zur Verfügung stünden, würden nicht alle Probleme der Welt gelöst werden, aber wenigstens werde ein Dialog beginnen, eröffnete Havel die Auseinandersetzung.

Die KritikerInnen ließen sich nicht lange bitten. Die tschechische Aktivistin Katerina Liskova forderte kurzerhand die Abschaffung von IWF und Weltbank, bevor sie sich bitter an Gastgeber Havel wandte: Wie man überhaupt von einem Dialog reden könne, wenn Aktivisten am „Eisernen Vorhang der tschechischen Grenzen zurückgehalten werden“, wenn denjenigen, die genug davon haben, in einer Welt zu leben, in der eine „kleine Oligarchie über unsere Köpfe hinwegbestimmt, das Recht verwehrt wird, auch ihre Stimme zu erheben“.

Die emotionsgeladene Rede des philippinischen Menschenrechtsaktivisten Walden Bello ließ Wolfensohn, der direkt neben ihm saß, den Kopf senken. IWF und Weltbank könnten nicht länger leugnen, dass ihre Legitimität ihren tiefsten Punkt in den 55 Jahren ihrer Geschichte erreicht habe. Beide Institutionen hätten nicht nur Dritte-Welt-Diktaturen unterstützt, Korruption toleriert und durch ihre „structural adjustment policy“ die Armut geschaffen, die heute in der Welt existiert. „Das indonesische Volk, Herr Wolfensohn, wird Ihnen nie die Unterstützung des Suharto-Regimes verzeihen!“, rief Bello und erinnerte daran, dass der weißhaarige US-Amerikaner, der jetzt so kleinlaut neben ihm saß, NGOs noch vor kurzem arrogant als „Berkeley Mafia“ bezeichnet hatte.

Ann Pettifor, Mitbegründerin der britischen Antiglobalisierungsgruppe Jubilee 2000, war etwas barmherziger: Wolfensohn und Köhler seien auch nur die Diener der Herren von G 7, die wirklichen Machthaber seien gewählte Politiker, die hinter verschlossenen Türen ihre Ränke schmiedeten. Sie forderte Köhler, seit vier Monaten im Amt, dazu auf, als neuer Besen gründlich zu kehren und einen vollen Schuldenerlass für die ärmsten Länder durchzusetzen.

Wolfensohn hat ein gutes Gewissen. Wenn er am Morgen zur Arbeit gehe, habe er nicht das Gefühl, für irgendein Übel dieser Welt verantwortlich zu sein, eröffnete er seine Rede. Die Weltbank arbeite „verdammt hart“ an der Beseitigung der Armut in der Welt: „Ich glaube, ich trage zu einer besseren Welt bei.“ Auch Horst Köhler war eher defensiv. Viel sei er seit seinem Amtsantritt gereist, viel habe er zugehört. Dabei habe er erfahren, dass es sich lohne, für eine bessere Welt zu kämpfen. „Auch ich habe ein Herz, aber ich muss auch mein Hirn einsetzen, um Lösungen zu finden.“ Die Lösung sei, den Armen durch Hilfe zur Selbsthilfe, durch Öffnung der Kapitalmärkte zu helfen.

Nach Reform von IWF und Weltbank verlangten bei der Diskussion der südafrikanische Finanzminister Trevor Manuel und der Finanzier und Philanthrop George Soros. Wenn man bedenke, dass bis auf drei Staaten der ganze afrikanische Kontinent von der Finanzierung von Weltbank und IWF abhängig sei, könne sich ihre völlige Auflösung nur als katastrophal für diese Länder erweisen, so Manuel. Auch Soros sieht den Ruf nach Abschaffung der Institutionen als falschen Schritt, der die NGOs auf die gleiche Stufe stelle wie den US-Kongress, der sich weigert, die Mittel zum Schuldenerlass lockerzumachen. Deshalb solle die Bürgergesellschaft mehr Druck auf ihre eigenen Regierungen und weniger auf IWF und Weltbank ausüben. Schließlich seien sie die Aktionäre der Weltbank.

Ann Pettifor zog Bilanz: Gut, dass man geredet habe, konkret sei wenig herausgekommen. Dass die Chefs der beiden Institutionen ihr Gewissen zeigten, sei irrelevant. „Es geht darum, für was sie stehen und was sie repräsentieren. Wir zweifeln ja nicht daran, dass Wolfensohn eine anständige Person ist. Und wir sind auch alle erleichtert, zu hören, dass Horst Köhler ein Herz hat, aber das bringt die Debatte nicht weiter.“