Kein Konzept gegen lechts und rinks

■ Im ostfriesischen Weener treiben rechtsradikale Skinheads ihr Unwesen / Reaktionen zwischen Angst und Ignoranz / Bürgermeister gesteht: „Wir haben uns das Heft aus der Hand nehmen lassen

Dies ist die Geschichte von einem kleinen Ort nahe der niederländischen Grenze und davon, dass Rechtsradikale nicht nur in den neuen Bundesländern vorkommen.

„Nur weil einer als Rechtsradikaler gilt werden wir nicht gegen ihn tätig. Wir betreiben keine Gesinnungsschnüffelei.“ Werner Schlick, Pressesprecher der Polizei im Landkreis Leer und zuständig für Weener, gibt sich demokratisch. „Es ist leider schon so, dass Bürger-Innen ins Rathaus kommen und sagen, sie hätten Angst“, meint jedoch Peter Freesemann, Bürgermeister der ostfriesischen Kleinstadt Weener. „Um zu provozieren sind die mal rechts, mal links“, hält Polizist Werner Schlick dagegen.

Vergangene Woche marschierten ein Skin-Trupp mit Reichskriegsflagge, Drohgebärden und „Juden raus“- Gegröhle durch Weener. „Wir haben uns das Heft aus der Hand nehmen lassen“, gibt Bürgermeister Fresemann zu.

Vor gut einem Jahr wurde Frank W. nach einer Feier von einem Weeneraner Skinhead zusammengeschlagen. „Nur wegen seiner langen Haare“, glaubt seine Mutter. Der Täter ist verurteilt. Das Gericht verwies auf dessen den rechtsradikalen Hintergrund. Frank W. muss jetzt seine Nase richten lassen.

Frank Abbas ist Jugendbetreuer in Weener: „Unser kirchliches Jugendzentrum wurde schon öfter von Skinheads heimgesucht.“ Abbas wundert sich: „Die Weeneraner Skins kennen wir, die haben nur Schlägereien angezettelt. Aber dann kamen plötzlich ganz andere Rechtsradikale, die versuchten richtig zu diskutieren.“

Als eigene Informationveranstaltung bot die christliche Jugendgruppe einen Spaziergang auf den Spuren der von den Nazis ausgelöschten jüdischen Gemeinde in Weener an. Abbas: „Es kamen nur knapp zwanzig Leute. Das war traurig.“ Aber die Skins kamen. Denen wollten ein paar Jugendliche der Antifa ans Leder. Die Polizei ging dazwischen. „Wir sind gegen Gewalt. Die christlichen Jugendgruppen gehören deshalb nicht zur Antifa. Deren Verhalten und Alkoholkonsum unterscheidet sich manchmal nicht von dem der Skins“, beobachtet Abbas.

Seit 1997 ist die rechte Szene in Weener bekannt. Damals richteten sie sich in einer städtischen Holzhütte als CB-Funker ein. Nach Hinweisen aus der Bevölkerung schritt Bürgermeister Freesemann persönlich ein. Er beobachtet Veränderungen „Wir hielten die Jugendlichen für haltlos. Jetzt scheint da mehr Struktur reinzukommen“, befürchtet er. Der Staatsschutz scheint diese Befürchtung zu bestätigten: Er spricht von insgesamt 24 Straftaten mit rechtsradikalem Hintergrund allein in diesem Jahr in Weener. In den letzten anderthalb Jahren wurden im ganzen Landkreis Leer nur fünf Fälle mit rechtsradikalem Hintergrund vor dem Jugendgericht verhandelt.

Die Stadt Weener hat als Reaktion darauf eine „Aktion gegen rechts“ aufgelegt: Sozialarbeiter besuchen stadtbekannte Neonazis zu Hause; städtische Jugendzentren sollen übers Wochenende geöffnet sein; die Polizei will mehr Streifen fahren.

Aber Jugendbetreuer Abbas bleibt skeptisch: „Ganz gefährlich wird es, wenn sich die Skins noch mehr organisieren.“ In letzter Zeit tauchten in Weener immer häufiger NPD-Abzeichen auf. Öffentlich vertreten ist die Partei im Landkreis Leer bislang nicht. Braucht sie auch nicht. Fremdenfeindliche Hetze, Drohungen gegen Ausländer und antisemitische Sprüche verbreitet die Allgemeine Wählergemeinschaft (AWG). Deren Chef, der Rechtsanwalt Gerd Koch, sitzt im Kreistag und im Leeraner Stadtrat. Trotz mehrerer Anzeigen wegen Volksverhetzung und Ähnlichem, errang Koch mit fast 18 Prozent der Stimmen bei den letzten Bürgermeisterwahlen in Leer einen spektakulären Erfolg. Bürgermeister Freesemann sagt, und es klingt ein bisschen resigniert: „So was wirkt sich leider stabilisierend auf die rechtsradikale Szene hier aus.“

Thomas Schumacher