Grüne von der Protestwelle ertränkt

Meinungsforscher sehen Landespartei nur noch bei 5 Prozent – halb so viel wie bei der letzten Wahl. Sie machen Ökosteuer und Kilometerpauschale für das Formtief verantwortlich, glauben aber noch nicht an langfristigen Trend

Steigt der Ölpreis, sinkt der Kurs der Grünen: Nach einer Umfrage des Bielefelder Emnid-Instituts ist die Landespartei in der Wählergunst auf 5 Prozent abgerutscht. Bei der letzten Wahl zum Abgeordnetenhaus vor einem Jahr hatten noch doppelt so viele Berliner für die Grünen gestimmt. Emnid-Wahlforscher Oliver Krieg macht die Diskussion über den Benzinpreis für das Formtief verantwortlich. Die Partei hat gleich beide Lager gegen sich aufgebracht: Die Autofahrer ärgern sich über die Ökosteuer, und die umweltbewusste Klientel stört sich an der Erhöhung der Kilometerpauschale.

Den Absturz auf 5 Prozent werten die Emnid-Demoskopen allerdings als „Momentaufnahme“. Eine Debatte, wie sie derzeit um den Ölpreis geführt werde, wirke sich erfahrungsgemäß „sehr kurzfristig“ aus. Auch Richard Stöss, Parteienforscher an der Freien Universität, kann in den neuen Zahlen noch keinen grundsätzlichen Abwärtstrend erkennen. Bei einer Umfrage im Juni hätten die Berliner Grünen 8 Prozent erreicht. Rechne man nach einem komplizierten Verfahren die unentschlossenen Wähler hinzu, ergebe sich sogar ein Resultat von 11,6 Prozent. Durch die Regierungsbeteiligung im Bund sei bei der Wählerschaft der Partei jedoch eine „deutliche Unsicherheit“ zu spüren. Wie in allen politischen Lagern nehme auch im grünen Milieu die Parteibindung ab.

Bei der SPD hingegen hat sich der Trend einer deutlichen Erholung in der Wählergunst fortgesetzt. Mit 33 Prozent liegt sie um rund 10 Prozentpunkte über ihrem Ergebnis vom vergangenen Herbst, während die CDU nur noch auf 37 Prozent kommt. Die PDS liegt nahezu unverändert bei 18 Prozent. In der Koalitionsfrage zeigten sich die Befragten offener als je zuvor. 31 Prozent der SPD-Wähler sprachen sich für ein Bündnis der Partei mit der PDS aus, das nach den ermittelten Zahlen rechnerisch möglich wäre – im Gegensatz zu einem Bündnis zwischen CDU und Grünen, für das sich immerhin 27 Prozent der Unionsanhänger aussprachen.

Dass sich die politischen Mentalitäten in der frisch gebackenen Hauptstadt neu sortieren, belegt auch eine andere Zahl: Selbst in der einstigen Frontstadt Westberlin könnten sich mittlerweile 23 Prozent der Wähler mit einem Regierenden Bürgermeister Gregor Gysi (PDS) anfreunden, auch unter den CDU-Anhängern sind es 12 Prozent. Die größten Chancen hätte Gysi bei den jüngeren Wählern. In der Altersgruppe unter 45 Jahren fänden 40 Prozent ein Stadtoberhaupt Gysi akzeptabel. 34 Prozent der Westberliner halten die PDS mittlerweile für eine normale, demokratische Partei. RAB