die stimme der kritik
: Betr.: Den kleinen Gag mit dem Hanf

Boulevardzeitungen sind zuweilen faszinierend

Dass die schönsten Ereignisse, die allzu oft von den angeblich seriösen Gazetten arrogant ignoriert werden, in der Boulevardpresse auf Seite eins verhandelt werden, ist ein Allgemeinplatz, dessen Praxis gleichwohl immer wieder für gute Laune sorgt: Schön zu wissen, dass der Arzt Juhnke mittlerweile sogar das Marzipanessen verboten hat; Klasse, dass Harry von Big Brother einen „Schniedelwutz“ hat; prima, dass Schumi sein Auto zärtlich „Schatzi“ nennt; äußerst begrüßenswert auch, dass Politiker im Reichstag Marihuana anpflanzten und es damit zu einem B.Z.-Aufmacher brachten. Ich meine: Andere würden dafür Millionen, wenn nicht tausende zahlen.

Zwei junge Abgeordnete der rot-grünen Regierungskoalition haben sich also „einen Spaß erlaubt“, wie die B.Z. am Wochenende bekannt gab. In die heimatliche Wahlkreiserde, die sie dem Künstler Hans Haacke zwecks Fertigstellung seines Kunstwerks „der Bevölkerung“ mitbrachten, schmuggelten sie Hanfsamen, um auch mal wieder in der Drogendebatte Flagge zu zeigen. Nicht nur irgendwelche: Es handele sich um niederländische „Super-Skunk“-Samen, die für besonders gut „knallendes“ Rauschgift sorgen. „Ein netter kleiner Gag“, so Antje Radcke von den Bündnisgrünen, „denn wir werden die Hoffnung nie aufgeben, dass Hanf irgendwann legalisiert wird.“

Wir dagegen hatten die Hoffnung schon aufgegeben, dass eine der drei Fraktionen, die für eine andere Drogenpolitik sind, wenn niemand hinguckt, das auch mal wieder sagen, wenn jemand hinguckt. Doch gut gemeint ist auch daneben. Der heroische Pflanzakt zweier ungenannter Jungabgeordneter unterstützt zwar die Forderung, die Kohl-Jäger Christian Ströbele bei der Hanfparade 98 auf die unvergessene Formel „Hier ist die Jugend. Das ist die Jugend. Die Jugend will: Weg mit dem Hanfverbot!“ gebracht hatte.

Andererseits ist der „kleine Gag“, wie so oft leider bei den Grünen, mit einem falschen Signal verbunden: Wer den bekanntermaßen genmanipulierten Super-Skunk Hanf anbaut, verliert in der Gen-Debatte jedenfalls gewissermaßen an Glaubwürdigkeit, würde ich mal sagen! Macht ja nichts, würde Klaus Mann antworten, denn „Haschisch gewährt dir die himmlische Tröstung des Vergessens. Ein kleiner Löffel dieser Zauberdroge, mein Freund, und du vergisst die Lügen und den Kummer dieser bösen Welt.“

DETLEF KUHLBRODT