Keine Ahnung? Macht nichts!

Die Sportberichterstattung aus Sydney ist banal und eurozentristisch. Außerdem scheinen Faßbender & Co. kein Englisch zu können. Trotzdem wissen sie alles besser

Während der Olympischen Spiele müssen sich die SpielerInnen umfangreicher Dopingtests unterziehen. Doch wäre auch ein „Dopingtest“ für die deutschen Sportjournalisten dringend notwendig. Jedenfalls sind ihre Auftritte auf dem Bildschirm bizarr: Sie äußern sich banal und eurozentristisch; vor allem aber haben sie miserable Sprach- und Fachkenntnisse.

Reinhold Beckmann kommentierte die Eröffnungsfeier für die ARD. Während des Einmarschs der Nationen empfahl er den Zuschauern, einen Atlas griffbereit zu halten, um festzustellen, wo sich Länder wie zum Beispiel die Salomon-Inseln, Äquatorialguinea oder Ruanda befinden. Jedes Mal, wenn eines dieser Länder vorbeimarschierte, brillierte Beckmann mit „Endlich ist in dem Land Ruhe eingekehrt“ und/oder „Sie sind in die zivilisierte Welt zurückgekehrt“. Was für eine Ironie! War es eine Bildungslücke oder Beckmanns Vorstellung von „Zivilisation“, dass er in diesem Zusammenhang die Ausrottung Tausender Aborigines durch die Gastgeber nicht erwähnte? Wieso erwähnte er nicht die Zivilisation, als die USA mit ihrer Indianervergangenheit vorbeimarschierten? Und was ist mit Ländern wie Großbritannien, Frankreich oder den Niederlanden und mit deren Kolonialgeschichte oder seinem eigenen Deutschland?

Am Rande der Eröffnungsfeier tauchte ein weiterer Bildungsschaffender auf. Seitdem Joachim Fuchsberger aufgehört hat, in Edgar-Wallace-Filmen die Leichen zuzudecken, gilt er als Australienexperte. Nach dem Ozonloch befragt, antwortete er: „Löcher haben nun einmal die Eigenart, dass man sie nicht sehen kann.“ Ausgestattet mit diesem Bildungsvorsprung, wurden die Zuschauer in die Schwimmwettbewerbe eingeführt.

Was sie in dem Aquatic Centre erwartete, war eine Zumutung. Den deutschen SchwimmerInnen wurden große Medaillenchancen eingeräumt. Besonders die Damen Buschschulte, van Almsick, Völker, Stockbauer sollten es bringen. Irgendwelche Bestzeiten wurden zitiert. Es wurde so getan, als würde nur in Deutschland geschwommen. Die große Kristin Otto im ZDF prophezeite noch bessere Zeiten. „Das ist das schnellste Becken, das ich je gesehen habe“, sagte sie. „Das Wasser ist hier griffiger, weil der Chlorgehalt reduziert wurde.“ Ein Desaster folgte dem nächsten.

Die 4x200-Meter-Freistilstaffel der Männer kam 13,14 Sekunden hinter Australien ans Ziel! Das sind Welten! Aber dann wurde über Eric Moussambani geschmunzelt. Der Mann aus Äquatorialguinea brauchte 1:52,72 Minuten für 100 Meter Freistil. Das war zwar eine Minute über den Bestzeiten, aber der Junge ist diese Strecke nie zuvor geschwommen. Im Gegensatz zu den deutschen Profis trainiert Moussambani in seinem Heimatland dreimal die Woche in einem 20-Meter-Becken.

Als die Schwimmwettbewerbe zu Ende gingen, hatten die Deutschen ganze drei Bronzemedaillen – das schlechteste Ergebnis seit Olympia 1952 in Helsinki. Wie gewohnt reagierte die so genannte Fachpresse mit einer Inquisition. Zunächst wurden die Damen Zicken genannt, und die Herren Weicheier. Kaum waren die SchwimmerInnen aus dem Becken, wurden ihnen Mikrofone unter die Nase geschoben mit der Standardfrage „Woran lag es?“ Einige der SchwimmerInnen verstanden die Frage gar nicht, da sie ihre Bestzeiten geschwommen hatten. Andere reagierten verlegen.

Keiner wagte es, die Journalisten mit einer Gegenfrage bloßzustellen: „Woran liegt es, dass Sie so schlecht vorbereitet nach Australien gekommen sind? War in Mainz oder München nicht bekannt, welche Zeiten die Weltelite schwimmt?“

Der Australier Ian Thorpe und die Amerikanerin Marion Jones wussten, wie mit deutschen Journalisten umzugehen ist. Thorpe wurde in 100 Meter Freistil Zweiter. Also: „Woran lag es?“ Keine Antwort! Der Reporter weiter: „Aber Sie hatten doch Heimvorteil. Das Publikum stand doch hinter Ihnen, und trotzdem . . .?“ Thorpe dazu: „Das Publikum ist kein Garant für Gold“, und weg war er. Marion Jones wurde nach einem 100-Meter-Vorlauf interviewt: „Sie möchten hier fünf Goldmedaillen holen, wie wollen Sie das anstellen?“ Jones: „Indem ich laufe“, und tschüs.

Moderatoren wie Waldemar Hartmann waren immer zur Stelle mit gewohnter Hinterhältigkeit. „Die deutschen Schwimmer gehören nicht in das Aquatic Centre, sondern an den Bondi Beach.“ Seinen bayerischen Oktoberfesthumor mussten auch die Judokämpfer aushalten. Die nannte er erfolglose „Kittelzieher“.

Und was wäre Olympia ohne Heribert Faßbender? Der gute Mann kommentierte Tennis. Als Rainer Schüttler unerwartet Todd Martin schlug, war er nicht zu bremsen. „Standing Ovations für Schüttler!“, schrie er. Es heißt „Standing Ovation“, Herr Faßbender, Standing Ovation!

Wiederholt bezeichnete er Todd Martin als „American Boy, Martin“. Dies wäre, als ob Martin Faßbender im amerikanischen Fernsehen mit: „Meet the German Bengel, Faßbender“, vorstellen würde. Begriffe wie „Volley Stop“ und „Long Line“ gibt es nicht im Tennis. Richtig ist „Stop Volley“ und „Along the Line“. Außerdem sollte Faßbender während eines Ballwechsels nicht Banalitäten von sich geben. Es stört! Wichtiger wäre es, zwischen den Punkten – oder besser noch nach einem Spiel – über Taktiken aufzuklären. Der Spielstand kann dem Bildschirm oder den Ansagen des Schiedsrichters entnommen werden.

Am zweiten Tag der Olympischen Spiele starb die Ehefrau von Antonio Samaranch, dem IOC-Präsidenten. Frau Samaranch war sicherlich eine gute Frau, und ihr Verlust hat Herrn Samaranch bestimmt sehr getroffen. Aber die olympischen Fahnen deshalb auf halbmast wehen zu lassen ist unpassend. Sie war Frau Samaranch und nichts weiter. Dass das IOC diese Entscheidung getroffen hat, ist einfach zu erklären. Es ist eine äußerst korrupte Organisation voller sycophants (Kriecher). Es ist kein Geheimnis, dass die olympische Flamme dank dem IOC nicht mit Öl, sondern mit Coca-Cola brennt. Dank der sycophants in den Medien war diesbezüglich kein kritisches Wort zu hören oder zu sehen. Wenn man Luxusurlaub für die Familie, Freikarten für die Spiele und Geschenke aller Art akzeptiert, ist es schwer, kritisch zu sein.

Was in Sydney noch fehlt, ist eine Romanze. Mit Sicherheit sind die Medien fieberhaft dabei, eine Geschichte zu stricken. Während der Spiele 1972 in München hatte ich die Ehre, die Schwimmwettbewerbe zu begleiten. Als Student war es nett, ein Taschengeld zu verdienen, die Spiele umsonst zu erleben und die Athleten aus nächster Nähe kennen zu lernen. So ergab es sich, dass die große australische Schwimmerin Shane Gould ein paar Worte mit mir wechselte. Einige Fotografen haben dies gesehen. Eine Romanze war entstanden. Leider stahl eine meiner Kolleginnen mir meinen dreiminütigen Ruhm. Ein Mädchen aus München traf ihren Traumprinzen Gustav und wurde später die Königin von Schweden. ASHWIN RAMAN

Hinweise:Seitdem Fuchsberger aufgehört hat, in Wallace-Filmen Leichen zuzudecken, gilt er als Australienexperte„Volley Stop“ und „Long Line“ gibt es nicht im Tennis. Richtig ist „Stop Volley“ und „Along the Line“.