„Wir leben in einer Diktatur“

Alassane Ouattara, Oppositionsführer in der Elfenbeinküste, über die wachsenden Spannungen unter Militärherrscher Guei und dessen Verrat an seinen Idealen

In der Elfenbeinküste spitzt sich die politische Krise weiter zu. Juntachef General Robert Guei entließ am Wochenende die Nummern zwei und drei seiner Junta, die Generäle Palenfo und Coulibaly, die dem Oppositionsführer Alassane Ouattara nahe stehen. Damit verschärft Guei seinen Kurs wenige Wochen vor den Präsidentschaftswahlen am 22. Oktober. Bei diesen will Guei kandidieren, und regierungsnahe Kreise versuchen, mit ethnischen Argumenten eine Kandidatur Ouattaras zu verhindern. Bis zum 7. Oktober soll die Justiz entscheiden, wer letztendlich zur Wahl antreten darf. Am Sonntag fand ein Westafrika-Krisengipfel zur Elfenbeinküste statt.

taz: Rechnen Sie noch damit, als Präsidentschaftskandidat zugelassen zu werden?

Ouattara: Nach unseren Informationen plant der General, die Kandidaturen der vier großen politischen Parteien zu begrenzen oder gar zu eliminieren: Emile Constant Bombet von der ehemaligen Regierungspartei PDCI, weil gegen ihn ein Gerichtsverfahren läuft; mich, weil ich die Staatsbürgerschaft der Elfenbeinküste angeblich zu Unrecht beanspruche; die Linkspolitiker Laurent Gbagbo und Francis Wodié, weil sie im Staatsdienst sind und ihre Posten sechs Monate vor der Wahl hätten räumen müssen, das aber erst Anfang August getan haben. Dann hätte der General keine Herausforderer mehr.

Wird General Guei wirklich bis zum Äußersten gehen, um die Wahl zu gewinnen?

Guei ist sehr unbeliebt. Er hat gesehen, dass er in Meinungsumfragen an vierter oder fünfter Stelle liegt, und will die wichtigsten Kandidaten eliminieren, um sich in antidemokratischer Weise an der Macht zu halten. Alternativ denkt er, dass unsere Ausschaltung zu Unruhen führt, und dann kann er den Ausnahmezustand verhängen und so an der Macht bleiben. Als der General an die Macht kam, sagte er, er wolle nur das Land wieder in Ordnung bringen, die Bedingungen für Demokratie schaffen und dann wieder gehen. Leider hat er das nicht gemacht. Wir leben jetzt in einer Militärdiktatur.

Als Guei zu Weihnachten 1999 putschte, dachten aber viele, Sie steckten dahinter.

Ich bin froh, dass jetzt klar ist, dass das nicht stimmte. Es gab damals eine gespannte Lage und die jungen Putschisten waren sehr mutig. In der Elfenbeinküste leben die Soldaten nicht alle in Kasernen, sie leben unter der Bevölkerung und vertreten die Gefühle der Bevölkerung. Also hatten sie Angst vor einem Bürgerkrieg und übernahmen die Macht. Aber nach drei Monaten begann Guei, die Politik des früheren Präsidenten zu wiederholen, und wir sind zum Ausgangspunkt zurückgekehrt, mit dem Risiko eines Bürgerkrieges. In der Armee wissen alle, dass die Spannungen extrem sind und dass dieselben Ursachen dieselbe Wirkung erzielen können.

Was sagen Sie zu der Behauptung, dass Sie gar kein Bürger der Elfenbeinküste sind, weil Ihre Eltern nicht aus dem Land stammen und Sie daher nicht Präsident werden dürfen?

Das stimmt nicht. Ich habe meine Geburtsurkunde aus der Elfenbeinküste zur Verfügung gestellt, meinen Staatsbürgerschaftsnachweis und den meiner Eltern. Der gestürzte Präsident Bédié schaffte es nicht, die Staatsbürgerschaft meines Vaters in Frage zu stellen. Dann versuchte er anzuzweifeln, dass meine Mutter meine Mutter ist, und schaffte es nicht. Jetzt benutzt General Guei dieselben Argumente. Ich bin zu einem DNA-Test bereit, um zu beweisen, dass meine Mutter meine Mutter ist.

Warum will man Ihre Kandidatur trotzdem behindern?

Aus Wahlkalkül. Die Elfenbeinküste hat 15 Millionen Einwohner, davon vier Millionen Einwanderer aus Nachbarländern. Von den 11 Millionen übrigen sind die großen Ethnien des Nordens und Nordwestens, aus denen meine Eltern stammen, mehr als die Hälfte. Also denken sich die Politiker, dass sie größere Chancen haben, wenn ich nicht antreten kann. Leider wird in Afrika nach ethnischen Gesichtspunkten gewählt, vor allem in den Dörfern. Man will mich ausschalten, weil man sicher ist, dass ich sonst gewinne.

INTERVIEW: HAKEEM JIMO