Familie ist, wo Kinder sind

Fachtagung „Regenbogenfamilien“ lädt schwule und lesbische Paare samt Kindern ein und will über die Probleme des Zusammenlebens und Erziehens sowie über die rechtlichen Fragen debattieren
von HOLGER WICHT

Die Erkenntnis setzt sich langsam durch: „Familie ist, wo Kinder sind“ – familiäres Zusammenleben beschränkt sich längst nicht mehr auf die klassische Vater-Muter-Kind-Konstellation. Schönere Worte hat schon vor Jahren die US-amerikanische Lesben- und Schwulenbewegung gefunden: „Love makes a family“, heißt in den Staaten das Credo der Homosexuellen, die mit Kindern leben oder leben wollen.

Und das sind hüben wie drüben nicht wenige: Etwa 20.000 lesbische, schwule, bi- und transsexuelle Eltern leben in Berlin, schätzt Lela Lähnemann vom Fachbereich für gleichgeschlechtliche Lebensweisen bei der Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport. Die Formen des Familienlebens sind vielfältig: Zahlreiche Lesben und Schwule haben leibliche Kinder aus heterosexuellen Zeiten, andere haben Pflegekinder angenommen oder, in seltenen Fällen, ein Kind adoptiert. Sie erziehen allein oder mit ihren Partnerinnen und Partnern, so genannten Co-Müttern und Co-Vätern.

Doch diese Formen des Zusammenlebens bergen zahlreiche Probleme; von abfälligen Blicken der lieben Verwandten bis hin zu Sorgerechtsfragen: Dürfen beide Mütter zum Elternsprechtag? Welche Rechte hat der Partner, wenn dem leiblichen Elternteil etwas zustößt?

Zwecks „gegenseitiger Stärkung und Ermutigung“, so Lähnemann, findet am eine Fachveranstaltung mit dem Titel „Regenbogenfamilien – wenn Eltern lesbisch, schwul, bi- oder transsexuell sind“ in der Alten Feuerwache in Kreuzberg statt.

„Natürlich geht es auch darum, den politischen Handlungsbedarf aufzuzeigen“, erklärt Lähnemann. Der Regenbogen, Symbol der Lesben- und Schwulenbewegung, steht zugleich für Vielfalt und für die Forderung, homosexuellen Paaren mit Kindern Möglichkeiten der rechtlichen Absicherung ihrer Lebensformen zu gewähren. Der rot-grüne Gesetzentwurf zur „Eingetragenen Lebenspartnerschaft“ sieht immerhin schon ein „Kleines Sorgerecht“ vor, das den registrierten Partnern leiblicher Eltern Rechte in Angelegenheiten der „alltäglichen Sorge“ zugestehen würde.

Mit solchen Fragen wird sich unter dem Titel „Rechtsfreie Familien?“ eine von sechs Arbeitsgruppen der Tagung beschäftigen. Ganz allgemein um Freud und Leid der Co-Elternschaft geht es im Workshop „Immer nur die zweite Geige spielen?“

In einem weiteren Forum stehen ethische Fragen der Adoption und der Insemination auf dem Programm, denn immer mehr Lesben und Schwule suchen nach Wegen, eine Familie zu gründen. Ob sie dabei neue Formen des Zusammenlebens entwickeln, die anderen als Vorbild dienen könnten, wird unter der Fragestellung „Familienaufbruch mit Zukunft?“ diskutiert.

Dem Coming-out der Eltern gegenüber den Kindern ist der Workshop „Wie sag ich’s meinem Kinde?“ gewidmet. Und was sagen die Kinder? Wie geht der Nachwuchs schwuler und lesbischer Paare zum Beispiel mit blöden Sprüchen auf dem Schulhof um? Die Sicht der Hauptpersonen steht in dem Workshop „Echt krass oder mega cool?“ im Vordergrund. Wie viele Kids daran teilnehmen werden, wagt Lähnemann allerdings nicht zu schätzen: „Die haben oft ihre eigenen Pläne und sagen: Das ist dein Thema, Mama, nicht meins.“

Samstag, 30. September, 10 bis 17.30 Uhr, Alte Feuerwache, Axel-Springer-Straße 40/41, Kreuzberg. Anmeldung per Fax an den Sonntags-Club: 0 30-4 48 54 57

Hinweis:Etwa 20.000 lesbische, schwule, bi- und transsexuelle Eltern leben in Berlin