Kameradschaftschef als Klassenkamerad

Antifaschisten fordern Schulverweis für Neonazi-Führer Schweigert. Doch die Aussichten auf Erfolg sind gering

Für die Schüler der Gesellschaft für Personalentwicklung und Weiterbildung (GPB) beginnt der Unterricht an diesem Morgen mit einer Überraschung. „Was, das ist ja der Oliver aus meiner Klasse“, ruft Martin Kurz* erstaunt aus. Fassungslos blickt er auf den Handzettel im Din-A-5-Format, den ihm Mitglieder der Neuköllner Antifa vor der Schultür in die Hand gedrückt hat. „Achtung Nazi“ steht darauf. Ein Briefmarken großes Bild zeigt einen finster dreinblickenden Mann vor einer Eisdiele.

Erst durch die Lektüre des Flugblattes erfährt Kurz, dass Oliver nicht nur sein Klassenkamerad ist, sondern auch ein Anführer der Neonazi-Szene. Seit August vergangenen Jahres wird Oliver Schweigert (32) an der Fortbildungseinrichtung im Bezirk Neukölln zum IT-Systemelektroniker ausgebildet. Das Landeskriminalamt hält ihn für „einen der führenden deutschen Rechtsradikalen“.

Seine Gegner befürchten nun, Schweigert lasse sich zum EDV-Spezialisten umschulen, um in Zukunft noch effektiver rechtsextreme Propaganda verbreiten zu können. Ziel der Flugblattaktion sei es, einen Drahtzieher der rechtsradikalen Bewegung aus der Anonymität zu reißen, sagt einer der Beteiligten. Angehörige des harten Kerns der Rechtsextremisten gäben sich im Privatleben oft betont unscheinbar, um dann nach Feierabend für Horst Wessel oder Rudolf Heß zu werben.

Die Verblüffung mancher Schüler scheint diese Erfahrung zu bestätigen: „Der hat sich im Unterricht nie auffällig benommen“, sagt Kurz. „Na, da werd ich ihn gleich mal ansprechen.“ Eine Schülerin dagegen kann in der Aktion keinen Sinn erkennen. „Was denkt ihr denn, dass wir jetzt tun sollen? Ihm einen gelben Fleck anheften?“

Auch die Dozenten sind über den Fall geteilter Meinung. Ein Fortbildungsinstitut sei keine politische Arena, sagen die einen – und unterrichten wie gehabt. Andere haben bereits angekündigt, die Lehre zu verweigern, wenn ein Neonazi die Schulbank drückt. Ein Dozent, der seinen Namen nicht nennen möchte, hofft auf weitere Protestaktionen. „Es muss klar gemacht werden, dass so jemand unerwünscht ist.“ In dem Flugblatt werden die Besucher der Schule dazu aufgefordert, Druck auf die Schulleitung auszuüben, damit „dieser Faschist sich seinen Schulverweis abholen kann“.

Die Institutsleitung verweist darauf, dass die Ausbildungsvereinbarung zwischen Schüler und Arbeitsamt geschlossen wird. Geschäftsführer Roger Schlag-Schöffel erklärt, seine Einrichtung führe keinen Gesinnungstest durch. Er geht davon aus, dass eine Kündigung des Vertrages gerichtlich wenig Chancen hätte.

Schlag-Schöffel argumentiert zudem, eine solche Maßnahme käme der Aushöhlung der Persönlichkeitsrechte gleich. „Die Antifa-Jungs, die heute die Flugblätter verteilen, könnten dann morgen schon die nächsten sein, die wegen ihrer Einstellung von einer Schule fliegen.“

Bei der Genehmigung der vom Arbeitsamt Berlin Nord finanzierten Weiterbildungsmaßnahme handelt es sich um eine Ermessensleistung. Ein Rechtsanspruch besteht nach Auskunft des Arbeitsamtes nicht.

ANDREAS SPANNBAUER

*Name geändert