man at work – heute: steven küchler, boxer, ein wenig vermessen
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Steven Küchler dachte, er hätte nach Olympia eine erfolgreiche Zukunft vor sich. Er träumte von Hollywood und vom Profiboxen. Er malte sich eine Welt aus, in der die Männer ohne Kopfschutz in den Ring steigen, der Einmarsch vom Spot ausgeleuchtet wird und das große Geld wartet. Als reifer Athlet wollte er über zwölf Runden gehen. Eine Homepage hatte er sich eingerichtet, und der Trash Talk fiel ihm von jeher leicht. „Mister Hollywood auf Rollensuche“, umschrieb die Süddeutsche Zeitung sein zögerliches Buhlen um einen Profivertrag. Doch die Vergangenheit holte den Weltergewichtler in acht olympischen Minuten wieder ein. Im Viertelfinale wurde der 24-Jährige vom Rumänen Dorel Simion ziemlich verkloppt. Mit 26:14 Punkten endete der Fight.

Danach war Küchler wieder das zornige Kind, das Gott und der Welt die Schuld an der Niederlage gibt. Der Ringrichter hätte „jeden Furz“ bei ihm geahndet. So könne es halt nichts werden, sagte er. Ungesagt blieb, dass die Profis seiner Dienste eh nicht würdig sind. Sein Held heißt Teofilo Stevenson, und Küchler verkündet: „Ich bin ein echter Ossi.“

In Hollywood, wo er sich schon wähnte, sollten sie bitte schön beachten, dass er aus Halle im Osten und nicht aus dieser versnobten Tennisstadt in Ostwestfalen komme. Solche Dinge sind ihm wichtig, ihm, der in einer muffigen Boxhalle, die mal ein Pferdestall war, arbeitet „wie kaum einer“. Sagt sein Trainer Hans-Jürgen Witte.

Der Sohn eines NVA-Zeitsoldaten und strammen Kommunisten hatte Gold in Sydney schon so gut wie sicher, glaubte man den Worten Küchlers. Es sollte sein Turnier werden, der Beweis, dass er nicht nur kneift. Und posaunt. Und nicht nur den Sandsack hasst – sondern auch mal den Gegner. Denn in der Erfolgbilanz ist nur ein Junioren-EM-Titel verzeichnet. Von 1992.

Danach? Danach ging viel zu Bruch, erst der Kiefer, dann die Schlaghand. Und 1997 nach einem bösen Autounfall in der Nähe seiner Heimatstadt Weimar lag Küchler mehrere Tage mit Milzriss, zertrümmertem Schulterblatt und kollabierter Lunge auf der Intensivstation.

Er kam zurück. Aber nicht in der Zukunft an. VÖL