Bibi kommt davon

Israels Expremier Netanjahu und seine Frau müssen nicht vor Gericht. Generalstaatsanwalt: Zu wenig Beweise für Verurteilung wegen Betruges

aus Jerusalem ANNE PONGER

Israelische Medien haben vorzeitig enthüllt, dass der ehemalige Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und seine Frau Sarah nicht vor Gericht gestellt werden. Die Entscheidung des Rechtsberaters der Regierung, Generalstaatsanwalt Eljakim Rubinstein, soll heute offiziell verkündet und begründet werden.

Netanjahu und seine Frau waren von der Polizei monatelang wegen des Verdachts von Bestechung, Betrug und Veruntreuung vernommen worden. Gleichzeitig waren Mosche Leon, Generaldirektor von Netanjahus Büro, sowie Esra Seidoff, Leiter der Wirtschaftsabteilung, verhört worden unter dem Verdacht, die Netanjahus in ihrem illegalen Gebaren unterstützt zu haben. Gegen beide wird vermutlich Anklage erhoben.

Nach Netanjahus Sturz als Ministerpräsident hatte der Bauunternehmer Avner Amedi den Stein damit ins Rollen gebracht, dass er dem Büro des Ministerpräsidenten eine Rechnung über 440.000 Schekel (mehr als 100.000 Dollar) vorgelegt hatte für private Arbeiten in der Netanjahu-Residenz, die er drei Jahre lang gratis ausgeführt hatte. Kurz darauf verstärkte sich der Verdacht, dass Netanjahu und seine Frau rund 700 Staatsgeschenke im Wert von rund einer halben Million Schekel für private Zwecke abgezweigt hatten.

Generalstaatsanwalt Rubinstein schloss sich mit seiner Entscheidung offenbar einer Empfehlung des Jerusalemer Distriktsanwalts Mosche Lador an, der zufolge die Beweise zu einer Verurteilung Netanjahus nicht ausreichen. Jene Empfehlung beruhte auf Widersprüchen, in die sich der Kronzeuge Amedi während seiner Vernehmung verwickelt hatte, und der Einschätzung, dass die Anweisungen über Rückgabe von offiziellen Geschenken nicht eindeutig sind.

Im Likud hat Rubinsteins Beschluss sowohl Hoffnung als auch Sorge ausgelöst. Netanjahus Anhänger erwarten eine rasche Erklärung ihres Idols, dass er seine Kandidatur für den Parteivorsitz in den nächsten Likud-Vorwahlen anmeldet. Umfragen haben überraschende Sympathien für den ehemaligen Premier ergeben und einen beachtlichen Vorsprung Netanjahus vor dem Likud-Vorsitzenden Ariel Scharon in Aussicht gestellt, falls er gegen Ehud Barak in verfrühten Neuwahlen anträte.

Politische Kommentatoren glauben, Netanjahu werde keine Eile haben, für den Likud-Vorsitz zu kandidieren, sondern Entscheidungen über Neuwahlen sowie den Ausgang der Friedensverhandlungen abwarten. Sollte er in die Politik zurückkehren, würden seine Gegner die Öffentlichkeit an das volle Maß seiner Verfehlungen und an seinen unheroischen Abgang erinnern.