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CDU feiert ihre Einheit mit Kohl

aus Berlin BETTINA GAUS

Ein echtes Zirkuspferd verlernt niemals die alten Kunststücke. Da hält Helmut Kohl auf einer Festveranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung zur deutschen Einheit seine erste öffentliche Ansprache seit vielen Monaten – und das Publikum will einfach sitzen bleiben? Applaudiert zwar freundlich, aber keineswegs jubelnd? So nicht. Nicht mit ihm. Nur ein einziger Schritt bringt Kohl weg von seinem Platz, auf dem er sich gerade niederlassen wollte, wieder vor die Bühne. Gesicht der Menge zugewandt, die verschränkten Hände in Siegerpose erhoben. Gerührtes Lächeln. Eitel Wohlwollen.

Was bleibt den Zuhörern übrig? Sie stehen auf. Erst nur einige wenige. Andere zögern lange. Sehr lange. Aber am Schluss zollen dann eben doch alle, auf die es ankommt, dem Exkanzler mit stehendem Beifall Tribut. Auch Angela Merkel und Friedrich Merz. Waren Parteivorsitzende und Fraktionschef einmal die Hoffnungsträger derjenigen, die an einen Neuanfang in der CDU glaubten und dafür den harten Bruch mit der Vergangenheit für nötig hielten?

Schwamm drüber. Nur ganz kurz spielt Angela Merkel in ihrer Rede auf den Finanzskandal ihrer Partei und auf die Tatsache an, dass Helmut Kohl sich bis heute weigert, die Namen angeblicher Großspender preiszugeben. Sie freue sich, so sagt sie, dass Kohl und sie „nach längerer Zeit gerade diese Veranstaltung gemeinsam bestreiten“. Das letzte Mal seien sie am 30. Mai 1999 bei der Eröffnung des Europa-Wahlkampfes zusammen aufgetreten. „Dazwischen liegt vieles.“ Nämlich was? Schwere Monate und manchmal gegensätzliche Auffassungen. Punkt.

Ist es wirklich erst wenige Monate her, dass eine Mehrheit der Bevölkerung und auch die meisten CDU-Anhänger den „Kanzler der Einheit“ nicht als Redner am 3. Oktober sehen wollten? Längst hat sich der Wind gedreht. Umfragen zeigen, dass die Bundesbürger der immer neuen Nachrichten aus dem Spendensumpf allmählich überdrüssig sind. Dennoch fasst die CDU einfach nicht Tritt. Ein überzeugendes politisches Konzept für die Zukunft ist nicht in Sicht. Da bleibt nur der Blick in die Vergangenheit, und für die steht eben Helmut Kohl.

Der verlässt den Saal als Sieger. Im „Tränenpalast“ hat die CDU-Stiftung gestern die Einheit gefeiert – in der ehemaligen Abfertigungshalle des Berliner Bahnhofs Friedrichstraße, wo sich einst Ostdeutsche von ihren westdeutschen Freunden und Verwandten verabschiedeten. Ein Oberst der Nationalen Volksarmee habe ihn dort einmal als „unerwünschte Person“ abgewiesen, erzählt Kohl: „Sie verstehen, dass ich das ganz besonders genieße: dass ich hier im Saal keine unerwünschte Person bin.“ Die Botschaft kommt an.

Kohl hat gezeigt, dass er es noch immer vermag, Rebellen in den eigenen Reihen niederzuzwingen. Auch ohne Amt. Wie eh und je kriechen die Aufständischen entweder zu Kreuze – oder sie haben ihre Zukunft hinter sich. Wolfgang Schäuble war gestern nicht dabei. Stattdessen erzählte er dem Stern, eine Versöhnung mit dem einstigen Weggefährten könne er sich nicht vorstellen, und nannte den öffentlichen Handschlag, den er jüngst mit Helmut Kohl tauschte, einen „Handraub“. Deutliche Worte. Aber der Exkanzler versteht mehr von Raffinesse und Perfidie als der langjährige Kronprinz. Er erwähnt Schäuble in der Rede. Gemeinsam mit dem ehemaligen DDR-Politiker Günther Krause habe der seinerzeit den Einigungsvertrag ausgehandelt, sagt der Exkanzler in einem Halbsatz. Eine solche Würdigung ist beleidigender als gar keine.

Wer Helmut Kohl Referenz erweist, dem hilft er weiter. Harsche Kritik hat sich Fraktionschef Friedrich Merz eingehandelt, als er im Bundestag behauptete, niemand in den Reihen der Sozialdemokraten habe seinerzeit die deutsche Einheit gewollt. Die Wut über diese Unterstellung trieb dem sonst eher nüchternen SPD-Finanzminister Hans Eichel gar die Tränen in die Augen. Den Exkanzler ficht so etwas nicht an, schließlich hat er selbst oft genug Gefühle öffentlich erkennen lassen. Jetzt übt er den Schulterschluss mit Merz und lässt sich in seinen Tiefschlägen gegen die damalige Opposition von niemandem übertreffen.

Bundespräsident Johannes Rau und Bundeskanzler Gerhard Schröder greift Kohl mit Zitaten an, die belegen sollen, dass sie sich von der Idee der deutschen Einheit längst verabschiedet hatten. Selbst sein langjähriger Verehrer, der grüne Außenminister Joschka Fischer, bleibt nicht verschont. Wenige Wochen vor dem Fall der Mauer habe der erklärt, er halte die Forderung nach Wiedervereinigung „für eine gefährliche Illusion“. Kohl erinnert außerdem an ein gemeinsames Papier von SPD und SED aus dem Jahre 1987, in dem die beiden Parteien ihre wechselseitige Existenzberechtigung anerkannten: „Damit haben die Sozialdemokraten damals das Verfassungsziel aufgegeben.“

Die massiven Angriffe auf den politischen Gegner schweißen die eigenen Reihen zusammen. Außerdem lenken sie von der Frage ab, ob ein Wiederholungstäter, der im eigenen Gesetzesbruch bis heute nichts Verwerfliches erkennen kann, eigentlich ein geeigneter Festredner ist. Nach einem solchen Instrument, das nach innen eint und und nach außen schlägt, hat Angela Merkel lange vergeblich gesucht. Aber sie ist ja auch noch kein altes Zirkuspferd. Am Sonntag tritt sie schon wieder gemeinsam mit Helmut Kohl auf, diesmal auf einem Festakt der CDU. Vielleicht verrät er ihr da ein paar Tricks.

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