Borttschellers und Ahrens Hochzeiten

■ Ex-Innensenator Ralf Borttscheller sagt als Entlastungszeuge aus – und bekundet Unkenntnis über bremische Regelung zu „Geschenken“ für Beamte / Geschenke im Rahmen „persönlicher Freundschaften“

So ganz seiner Sache sicher kann sich der frühere Innensenator Ralf Borttscheller nicht gewesen sein, als er sich gestern in den Zeugenstand im Prozess gegen den suspendierten Marktmeister Wolfgang Ahrens begab: Er breitete die Kopie seines polizeilichen Vernehmungsprotokolls vor sich aus und begann, die vor der Kripo gemachten Aussagen vorzulesen. Doch die Staatsanwältin hatte ein scharfes Auge und erinnerte den Rechtsanwalt daran, dass Zeugenaussagen nach bestem Wissen und Gewissen zu machen sind und nicht nach schriftlicher Vorlage. „Ich will ihnen den Gefallen gerne tun“, lenkte Borttscheller ein. Die Polizei hatte ihm das Protokoll nicht gegeben, das ist auch nicht üblich. Auf Nachfrage der Staatsanwältin räumte Borttscheller ein, dass er dieses von seinem Büro-Kollegen Konrad Hammann habe – der hat die Staatsanwaltschafts-Akten als Verteidiger des Angeklagten Ahrens bekommen.

Staatsanwältin Simone Laumen gab sich bissig am dritten Prozesstag. Wie im Nebel stocherte sie in dem Beziehungsgeflecht zwischen Schaustellern, Politik und Stadtamt herum.

Für Borttscheller war dies alles selbstverständlich. Zu Schausteller-Feiern seien alle eingeladen worden, „die man für nützlich und wichtig hielt". Er selber sei auch im Laufe der Jahre über die Familiengeschichten einzelner Schausteller sehr genau informiert gewesen, da man sich häufig im privaten Rahmen traf. „Wenn sich persönliche Freundschaften entwickelt haben“, so der frühere Innensenator, dann seien eben auch Hochzeitsgeschenke im Wert von 100 Mark normal.

Einer der Hauptanklagepunkte: Ahrens hat einen Reisegutschein nach London angenommen, den ihm über 30 Schausteller zur Hochzeit geschenkt hatten. Borttscheller sah darin kein Fehlverhalten. Die bremische Geschenke-Regelung für Beamte war dem früheren Innensenator inhaltlich nicht bekannt. Diese „Uraltregelung“ (Richter Wacker) erlaubt Beamten nur die Annahme von Kugelschreibern oder Geschäftsessen – eine London-Reise, wie im Fall Ahrens, deckt sie nicht.

„1962 kostete auch das Straßenbahn-Ticket noch 70 Pfennig“, meinte Borttscheller flappsig. Und: „Es muss zulässig sein, im Rahmen einer persönlichen Freundschaft ein Geschenk in solch einem üblichen Rahmen entgegenzunehmen“. Private Kontakte zum Marktmeister habe er als Innensenator nicht gepflegt, aber „man traf sich auf Festivitäten im Schaustel-lerbereich“ – auf zehn Schaustellerhochzeiten hat Borttscheller selbst getanzt.

Für Borttscheller ist die Anzeige gegen Ahrens eine Art Racheakt. Aus Schaustellerkreisen habe er von „Rachegelüsten der Familie Skjefstad“ gegen den Marktmeister gehört, erklärte er recht deutlich vor Gericht. 1996 hatte Ahrens dem Familienbetrieb die Lizenz für ihr Bayernzelt entzogen – nach 49 Jahren, in denen die Schausteller „Stammbeschicker“ auf dem Freimarkt waren. „Einigen Vorlauf“ habe es gegeben, bis es zum Aus fürs Bayernzelt gekommen sei, wie Borttscheller ausführte. „Wir haben die Schausteller informiert, dass ein auswärtiger, attraktiverer Konkurrent droht,“ doch der Unternehmer sei „nicht bereit gewesen“, sein Geschäft „attraktiver zu machen.“ Rund 1.300 Schausteller bewerben sich jedes Jahr um einen Standplatz auf dem Freimarkt – 350 von ihnen kriegen den Zuschlag. Nicht alle aber haben solche „Insider-Tipps“ direkt vom Senator erhalten.

Der Marktmeister und „Politiker“ vor allem aus dem Marktausschuss seien von seiner Mutter regelmäßig mit Weihnachtsgeschenken bedacht worden, berichtete Skjefstad. Den Versand von 500 Mark teuren Champagnerflaschen sehe er im Übrigen „nicht als Bestechung an.“ „Eine Flasche würde ich als üblich ansehen, zwölf nicht“, meinte Borttscheller zu dem Thema.

Irgendwann scheinen die vielfältigen Geschenke an die Mitglieder im Marktausschuss nichts mehr genutzt zu haben – ein anderes Bierzelt bekam den Zuschlag. Skjefstad wehrte sich gegen die Vorwürfe, er habe sich dafür an Ahrens rächen wollen – so was sei nicht seine Art. Zum Hintergrund: In Schaustellerkreisen wird gemunkelt, er sei derjenige, der Ahrens durch die anonyme Anzeige belastet hat.

Kein Problem sieht Borttscheller auch bei dem Vorwurf der Staatsanwaltschaft, dass Ahrens einerseits Feste als Behörde genehmigte, andererseits selbst Gesellschafter der VBS-GmbH war, die das Volksfest „Summer in the City“ veranstaltete. Die VBS habe ja keinen Gewinn gemacht, erklärte er. Borttscheller wusste als Senator von der Doppelrolle des Marktmeisters, der Vorgesetzte von Ahrens war darüber nicht informiert worden. vv